Samstag, 11. Oktober 2014

Düsseldorf







Düsseldorf: 

die Stadt, 
ihre Armen, 
ihre Reichen und 
ihre Piraten sozialräumlich gesehen



                                               Königsallee (Quelle: wikipedia)
 


Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf gehört zu den wenigen Städten, die wie Bremen, Dresden, Oberhausen und München einen Wahlatlas im Internet anbieten, der die gleichzeitige räumliche Betrachtung von Wähleranteilen und Sozialindikatoren ermöglicht und für die Datenreihen auch Korrelationskoeffizienten errechnet. Damit lassen sich sowohl eine sozialräumliche Analyse der Stadt als auch der Wählerstrukturen der Parteien durchführen.





                    Fortschreibungsbericht 2005 zur sozialräumlichen Gliederung Düsseldorfs



Sozialräumliche Strukturen in Düsseldorf


In Düsseldorf hat das Jugendamt erstmals 1997 Sozialräume mit Hilfe der Clusteranalyse bestimmt, um „sie zu Gruppen mit unterschiedlichem sozialen Handlungsbedarf zusammenzufassen“. Im Ergebnis werden für 166 Sozialräume vier bzw. fünf Ränge ausgewiesen, wobei zwischen den „Bestsituierten“ bis hin zu den „am schlechtesten Situierten“ unterschieden wird. Dabei wurde auf der Stufe 4 eine Gruppe von Gebieten besonders herausgehoben, die einen hohen Ausländeranteil besitzen.

Nach den ersten beiden Fortschreibungen in den Jahren 2001 und 2005 erfolgte 2011 eine dritte Aktualisierung. Dabei flossen Merkmale wie  die Wohnfläche/Einwohner, der Ausländeranteil sowie die Sozialhilfe- und die Wohngeldquote in die Analyse ein. 

Aufgrund dieser Vorgaben, die stark auf den sozialen Status der Teilräume abgestellt sind, fand der familiale Status keine Berücksichtigung. Vielmehr waren die Planer an der Ermittlung unterschiedlicher Bedarfe an sozialen Einrichtungen interessiert, um soziale Disparitäten auszugleichen, sodass für sie eine enge Verbindung zum sozialen Status und Transferstatus sowie zum Ausländerstatus gesehen und betont wurde. 

Als ein wichtiges Ergebnis dieser Arbeit wurde ein Sozialatlas erstellt, in dem alle 166 identifizierten Sozialräume entsprechend porträtiert sind.

Dabei wird deutlich, dass die Gebietseinheiten der Statistik in sich keineswegs sozial homogen sind. So leben beispielsweise in dem Düsseldorfer Problemgebiet Garath in einem Quartier knapp 60 Prozent der Bewohner von staatlicher Beihilfe, während es gleichzeitig wenige Straßen entfernt durchschnittliche Werte gibt, da man hier Wohneigentum an Einfamilien- und Reihenhäusern findet.




                     Häufigkeit einzelner Sozialraumränge (Quelle: Fortschreibungsbericht 2005, S. 27) 



Das Ergebnis dieser statistischen Stadtgliederung wurde sogar in der Lokalpresse thematisiert, auch wenn es dort als "eine Ansammlung von drögen Fakten" charakterisiert wurde, die offenbar erst durch die journalistische Bearbeitung lesenswert geworden sein soll. Allerdings ist nicht einmal "das Ergebnis .. in seiner Gesamtheit"  "wirklich erstaunlich, da "jeder Düsseldorfer davon ausgeht, dass die Zahl der Wohlhabenden in Oberkassel und im Zooviertel höher ist als in Hassels oder Garath."

Die besondere Qualität der Arbeit wird so in ihrer "verblüffenden Detailtreue" gesehen, wodurch sie "Zusammenhänge und Folgen klar darstellen" kann.   (Onkelbach)

Unabhängig von dieser Stadtgliederung arbeitet die Wahlstatistik, die mit ihrem Wahlatlas Daten für die zehn Stadtbezirke, die eigene politische Vertretungen besitzen, die 49 Stadtteile und die 41 Wahlbezirke zur Verfügung stellt. Dabei werden vor allem soziodemografische Merkmale auch aus dem Bildungsbereich angeboten. Davon sollen hier nicht die relativ großen und damit heterogenen Stadtbezirke verwendet werden, sondern die Stadtteile, die anders als die Wahlbezirke allein aufgrund ihrer verbalen Benennungen eine Bedeutung für den Wohnungsmarkt und damit die Basis der Sozialraumanalyse besitzen.

Wenn diese Vorentscheidung getroffen st, lassen sich durch diesen Wahlatlas DELECTIS sowohl stadtspezifische Auswertungen für Düsseldorf vornehmen, aber auch Fragen beantworten, die von allgemeinerem Interesse sind. Das dürfte für die immer noch recht junge Partei der Piraten zutreffen, für die es bisher kaum ökologische Wahlanalysen gibt. 

Dabei sind derartige Auswertungen gerade für junge und kleine Parteien eine wichtige Informationsquelle, da diese Gruppierungen in der repräsentativen Wahlstatistik meist nur unter „Sonstige“ ausgewiesen werden. So war es bei den Piraten für die Bundestagswahlen 2009 und 2013. Nur zur Landtagswahl 2012, als die Piraten ein bisher nicht wieder erreichtes Stimmungshoch bei der Wählergunst erreicht hatten, liegt eine Aufgliederung nach dem Geschlecht und Alter der Wähler in Düsseldorf vor. Ähnliches gilt für die AfD, auch wenn hier bisher im Düsseldorfer Wahlatlas nur Angaben für die Europawahl 204, aber nicht für die Stadtratswahl 2014 und die Bundestagswahl 2013 erfolgen.

Zudem bietet sich die Möglichkeit von Vergleichen zwischen verschiedenen Städten, die nach einem ähnlichen Ansatz analysiert wurden, sodass auch Verallgemeinerungen der Düsseldorfer Ergebnisse möglich werden. Allerdings kann dadurch auch auf die Besonderheiten einzelner Städte sichtbar werden, wenn etwa bei Kommunalwahlen Parteien oder Wählergruppierungen in den Stadtrat einziehen, die es in anderen Gemeinden gar nicht gibt bzw. die dort erheblich schwächer sind. 

Das galt 2014 in Düsseldorf für die Tierschutzpartei, die hier mit einem Wähleranteil von 1,5 % eines ihrer sehr seltenen Mandate errang. Allerdings wurde sie wegen ihres geringen Stimmenanteils im Wahlatlas nicht berücksichtigt, sodass eine entsprechende sozialräumliche Auswertung ihrer Wählerstruktur nicht möglich ist. Ihre Hochburg war mit 3,5 % der kleine Stadtteil Knittkuhl deutlich vor Holthausen und Reisholz mit 2,6 % bzw. 2,4 %. Schwach war sie hingegen in den bürgerlichen Quartieren (S. 25), wo der Anteil unter 1 % lag. (S. 64)


Die Sozialraumstruktur Düsseldorfs

Da die Gliederung des Düsseldorfer Jugendamtes Sozialräume bestimmt, für die nur ausgewählte Sozialindikatoren und keine Wahldaten vorliegen, sind sie für eine sozialökologische Analyse der Stadtstruktur und des sozialräumlichen Wahlverhaltens nicht geeignet. Das gilt vor allem für die Eindimensionalität der Analyse, die keine Ausweisung der Faktoren der Sozialraumanalyse ermöglicht. So sind der soziale Status, der Ausländer- und de Transferstatus praktisch zusammengefasst, während der familiale Staus völlig fehlt.


Sozialer Status



                                        Durchschnittliche Wohnungsgröße 2011 (Quelle: Wahlatlas)


Nimmt man die durchschnittliche Wohnungsgröße als Indikator für den sozialen Status eines Stadtteils, besteht ein deutlicher Unterschied zwischen einigen Gebieten am Stadtrand und dem übrigen Düsseldorf. Das gilt vor allem für den Norden, wo gleich die drei Stadtbezirke Kalkum, Angermund und Wittlaer mehr als 100 qm aufweisen. Ein Ausnahme von diesem Muster ist nur Niederkassel mit 91,8 qm, während es in der benachbarten Altstadt nur 62,3 qm sind.

Dieses Bild ändert sich, wenn man den Anteil der Gymnasiasten betrachtet.


              Gymnasiastenanteil 2011 (Quelle: Wahlatlas)

Hier lassen sich fast Pariser Zustände erkennen, wo es sowohl sehr gut bürgerliche Viertel östlich der Innenstadt wie das vornehme 7. Arrondissement "Palais Bourbon" und dann weiter außerhalb der Stadtgrenzen in Richtung Versailles gibt. 

Nicht ganz so bekannt und prestigeträchtig sind die Düsseldorfer Stadtteile Niederkassel und Oberkassel mit Gymnasiastenanteilen von 52,2 % bzw. 44,2 %. Hingegen sind es im nicht weit entfernten Flingern-Süd östlich der Innenstadt nur 16,8 %. Bei diesem Merkmal schneiden die nördlichen Stadtteile deutlich schlechter als als bei der Wohnungsgröße, was vermutlich auf den Besuch von Gymnasien in der Innenstadt zurückzuführen  ist. 

Diese Diskrepanz zeigt die Problematik der Bestimmung eines komplexen Faktors der Sozialraumanalyse, wenn nur ein begrenzte Zahl von Einzelindikatoren ausgewertet werden kann.


Familialer Status


Neue Aspekte, die in der Stadtgliederung des Jugendamts vernachlässigt wurden, können beim familalen Status erwartet werden.



                                  Anteil der Bevölkerung zwischen 25 und 35 Jahren 2011 (Quelle: Wahlatlas

Da im Wahlatlas keine Daten zum Anteil er Single-Haushalte ausgewiesen werden, wird als Indikator für einen neuen Lebensstil, der sich von einer klassischen Familiengründung absetzt, der Anteil der 25- bis 35-jährigen Einwohner gewählt, die in einigen Stadtteilen mehr oder weniger überrepräsentiert sind, da sie dort eine eigene Wohnung gesucht und gefunden haben.


Trotz dieser Wahl eines speziellen Indikators zeigt sich das erwartbare konzentrische Modell, bei dem hohe Anteile im Innenstadtbereich in Richtung Stadtgrenze abfallen. So findet man diese Altersgruppe im Stadtteil Stadtmitte und vor allem in der südlich angrenzende Friedrichstadt, wo diese Altersgruppe 27,1 % der Bevölkerung stellt, während es etwa in alten Industriequartieren wie Reisholz nur 13,7 % und am Stadtrand in Kalkum und Wittlaer nur gut 6% sind. 

Eine Ausnahme von diesem typischen Muster stellen die traditionellen bürgerlichen Wohngebiete Nieder- und Oberkassel dar, wo offenbar kaum junge Erwachsene dieser Altersgruppe den Wohnraum mieten können, wie sie ihn sch wünschen. Das gilt vor allem für Niederkassel, wo der Anteil der 25- bis 35-jährigen nur 8,6 % der Einwohner beträgt.



Ausländerstatus


Während in älteren Untersuchungen viele Ausländer im Innenstadtbereich nachgewiesen wurden, hat sich das im Zuge der Globalisierungsfolgen in vielen Städten geändert. So konzentrieren sich beispielsweise in Bremen hohe Ausländeranteile auf die Großsiedlungen der 1960-er und 1970-er Jahre, die bevorzugt am Stadtrand gebaut wurden.




                                              Ausländeranteil  2012 (Quelle: Wahlatlas)


In Düsseldorf findet man hingegen gleichzeitig zwei Typen von Stadtteilen mit einem hohen Ausländeranteil, und zwar im engeren Innenstadtbereich mit den Stadtteilen Altstadt und Stadtmitte, wo der Anteil zwischen 35 % und 39 % beträgt, sowie in den sozial benachteiligten Gebiete, die gleichzeitig einen hohen Transferstatus besitzen. Hierzu weist vor allem Flingern-Süd mit einem Ausländeranteil von 35,3 % einen besonders hohen Wert aus.


Transferleistungsstatus


Bei den Gebieten mit einem hohen Ausländerstatus außerhalb der Innenstadt besteht eine deutliche Übereinstimmung mit den Stadtteilen, die sich auch durch einen hohen Transferstatus kennzeichnen lassen.




                                Anteil der Hartz IV-Bezieher 2011 (Quelle: Wahlatlas)


Bei diesen sozial benachteiligten Gebiete handelt es in Düsseldorf vor allem um alte Industriegebiete wie Flingern-Süd mit einem Spitzenwert von 25,9 %, während es ein wenig nördlich auf der anderen Rheinseite in Nieder- und Oberkassel nur verschwindende 1,8 bzw. 2,4 % sind.

Insgesamt bilden so diese alten Industriegebiete entlang der Verkehrstrasse aus Rhein und Bahn eine Kette von Stadtteilen, die von Garath im Süden mit einem Ausländeranteil von 26,5 % bis Oberbilk und Flingern-Süd reicht. Einen weiteren hohen Wert weist im Nordosten der Stadtteil Rath auf, der durch das frühere Mannesmann-Röhrenwerk und den Flughafen geprägt ist.



Gut und schlecht situierte Stadtteile im Vergleich


Auch wenn die sozialräumliche Gliederung durch das Düsseldorfer Jugendamt hier nicht als Grundlage der Auswertung genommen wird, können die dort gefundenen Sozialräume der "Reichen" und der Armen" ein gutes Bild von den Unterschieden liefern, die man in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt findet.


Sozialindikatoren für ausgewählte besonders gut und schlecht situierte Stadtteile

Stadtteile
Ausländer
Einperso-nenhaus-halte
SGB II-Bezieher
Arbeitslose
Einwohner zwischen 18 und 25
Durch-schnittliche Wohnungs-größe
Niederkassel
24,5
49,1
1,8
1,9
3,5
91,8
Oberkassel
15,9
56,1
2,4
2,2
4,3
82,5
Angermund
7,9
35,7
2,4
2,5
5,5
106,8
Garath
13,6
39,9
26,5
11,6
8,2
72,2
Flingern-Süd
35,3
62,2
25,9
11,0
9,7
58,6
Oberbilk
31,8
61,6
21,4
9,4
9,2
61,4
Reisholz
27,2
48,7
20,7
9,5
11,3
69,9
Hassels
25,2
42,7
24,4
10,3
8,2
68,0
Düsseldorf
19,2
53,9
12,6
6,2
7,4
71,5
Quelle: Indikatoren 2012, Single-Haushalte: Stadtteildaten


Schon ein rascher Blick auf diese Tabelle bestätigt die Unterschiede, nach denen diese Stadtteile ausgewählt wurden. In den ersten drei Gebieten Niederkassel, Oberkassel und Angermund heben sich die Werte für die beiden Indikatoren des Transferstatus, der Anteil der Arbeitslosen und der Hartz IV-Bezieher, sowie die durchschnittliche Wohnungsgröße deutlich von den Daten für die schlecht situierten Stadtteile ab.

Daneben wird allerdings auch deutlich, dass die beiden Gruppen in sich nicht homogen sind, wenn man Merkmale für andere Faktoren der Sozialraumanalyse heranzieht, die z. B. für das Wahlverhalten auch eine gewichtige Rolle spielen, wie sich in vielen anderen Städten gezeigt hat. Das gilt sowohl für den Anteil der Ausländer, der in Niederkassel höher liegt als in einigen sozial benachteiligten Gebieten, und vor allem für die Indikatoren des familialen Status. Hier bestehen deutliche Unterschiede zwischen den schlecht situierten Stadtteilen, wenn zum Beispiel der Anteil der Einpersonenhaushalte zwischen 62,2 % in Flingern-Süd am östlichen Innenstadtrand  und 39,9 % in Garath schwankt, wo seit 1961 die Großsiedlung "Wohnstadt Garath" entstanden ist.



Die Wahlbeteiligung und die Wähleranteile der Parteien sozialökologisch betrachtet


Ein Wahlatlas, wie ihn Düsseldorf anbietet, erlaubt es, Zusammenhänge zwischen der Höhe der Wahlbeteiligung und den Anteilen der Stimmen, die für die Parteien abgegeben wurden, mit verschiedenen Sozialindikatoren zu bestimmen. Das geschieht über sogenannte ökologische Korrelationen, da dabei nicht einzelne Personen oder Wähler betrachtet werden, sondern in diesem Fall die Stadtteile als Elemente in der Korrelationsrechnung verwendet werden.
Die Ergebnisse lassen sich, wenn man diesen Hinweis berücksichtigt, relativ leicht interpretieren, da Koeffizienten mit dem Wert 1,0 völlig ähnliche Schwankungen der Werte bedeuten, wobei die absolute Höhe keine Rolle spielt. Der extreme Wert im negativen Bereich, r= -1,0, bedeutet entsprechend eine völlg abweichende Verteilung, indem hohe Werte des einen Merkmals jeweils mit niedrigen für das andere gekoppelt auftreten.


Ökologische Korrelationen zwischen den Anteilen ausgewählter Parteien und Sozialindikatoren in der Europawahl 2014

Indikator Wahlbeteiligung
CDU
SPD
Grüne
FDP
Linke
AfD
Frauenanteil
0,46
0,27
-0,11
-0,16
0,13
-0,41
0,02
Migrantenanteil
-0,84
-0,72
0,60
0,22
-0,43
0,77
0,05
Ausländeranteil
-0,66
-0,62
0,37
0,41
-0,20
0,67
-0,13
Alter







Unter 18
0,13
0,33
-0,05
-0,56
-0,05
-0,26
0,28
18 - 25
-0,76
-0,66
0,65
0,24
-0,70
0,73
0,01
25 - 35
-0,46
-0,61
0,22
0,76
-0,20
0,65
-0,41
35 - 45
0,30
0,10
-0,46
0,42
0,47
-0,09
-0,33
45 - 60
0,36
0,52
-0,18
-0,6
0,07
-0,52
0,37
60 - 70
0,51
0,46
-0,33
-0,41
0,45
-0,59
0,34
70 und mehr
0,36
0,38
-0,09
-0,47
0,21
-0,51
0,18
Gymnasiastenanteil
0,64
0,42
-0,45
-0,12
0,51
-0,58
0,31
Hauptschüleranteil
-0,86
-0,71
0,73
0,13
-0,68
0,79
-0,03
Anteil Sozialversichungpflichtig Beschäftigter
0,20
0,11
0
0,16
-0,20
-0,15
-0,19
Nur Frauen
0,32
0,16
-0,22
0,33
0,02
-0,18
-0,27
Arbeitslosenquote
-0,95
-0,79
0,81
0,15
-0,69
0,82
0,02
Arbeitslosenquote Frauen
-0,95
-0,74
0,81
0,05
-0,69
0,77
0,06
SGB II-Quote
0,95
-0,77
0,81
0,11
-0,71
0,82
0,04
Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser
0,51
0,58
-0,30
-0,53
0,14
-0,55
0,21
Durchschnittl. Wohnungsgröße
0,76
0,77
-0,66
-0,49
0,54
-0,78
0,28
Wohndauer







Unter 4 Jahre
-0,26
-0,39
-0,03
0,6
0,11
0,39
-0,28
4 - 10 Jahre
-0,06
-0,04
-0,01
0,1
0,03
0,12
-0,16
Über 10 Jahre
0,26
0,38
0,04
-0,61
-0,12
-0,42
0,33



Die Wahlbeteiligung als Widerspiegelung der Sozialstruktur


Wie in vielen anderen deutschen Städten auch besteht in Düsseldorf ein sehr enger Zusammenhang zwischen der Höhe der Wahlbeteiligung und dem Transfer-, dem Ausländer- und dem sozialen Status.

Hier erreichen die Korrelationen Werte von ungewöhnlichen 0,95 bei der Quote für die Arbeitslosen und die Hartz IV-Bezieher, von 0,84 für den Hauptschüleranteil, der als Indikator für einen unteren sozialen Status steht, sowie 0,8 für den Migrantenanteil. Das sind Werte für eine derartig enge Verkoppelung von Sozialstruktur und Wahlverhalten, wie sie bei keiner Partei in dieser Höhe auftritt.

Auf der Ebene der Stadtteile führt diese starke Abhängigkeit der Wahlbeteiligung von einigen sozialstrukturellen Merkmalen zu deutlichen Differenzen bei der Stimmabgabe. So haben sich an der Europa- und Kommunalwahl 2014 in Kalkum 70,1 % der Wahlberechtigten beteiligt, in Garath ganz im Süden der Stadt hingegen nur 37,6 %.





                        Stadtteile in der Innenstadt (Quelle: Düsseldorf 2014, S. )



Diese erheblichen Unterschiede sind in Düsseldorf sogar in benachbarten Stadtteilen zu finden, wie ein Blick auf die Innenstadt beweist. Hier hat eine segregierte Sozialstruktur der Stadtbezirke, wie man sie in dieser räumlichen Nähe nur selten findet, zu erheblichen Abweichungen bei der Wahlbeteiligung und den Anteilen der Parteien geführt.

So differieren bei der Wahlbeteiligung das bürgerliche Viertel Niederkassel mit seinem Wert von 64,7 % ganz erheblich von den 34,9 in Flingern-Süd, einem Stadtteil, der noch bei einer Reihe anderer Indikatoren Extremwerte aufweist. Dazwischen rangieren die City-Stadtbezirke Altstadt und Stadtmitte, in denen üblicherweise häufig zwischen den vorherrschenden Dienstleistungsbetrieben eine Wohnbevölkerung lebt, die selbst hier arbeitet oder die Wohnung nur als Übergangslösung betrachtet und daher zumindest an kommunalpolitischen Fragen nicht besonders stark interessiert ist.


Mindestens ähnlich große Unterschiede bietet jedoch ein Blick auf die Wähleranteile der Parteien in der Düsseldorfer Innenstadt.


Die Düsseldorfer Innenstadt: Zwischen Niederkassel und Flingern-Süd (KW 2014)


Stadtteil 
Wahlbe-teiligung
CDU
SPD
FDP
Linke
Grüne
Niederkassel
64,7
50,2
21,5
16,7
2,1
9,1
Altstadt
37,7
43,6
21,5
11,8
4,0
12,4
Stadtmitte
37,3
29,8
28,3
8,8
7,8
16,0
Flingern-Süd
34,9
21,3
34,7
2,4
10,6
21,2
Carlstadt
57,3
36,1
20,8
24,4
3,5
10,2
Friedrichstadt
44,4
26,4
27,3
4,5
8,8
24,5







Düsseldorf
49,2
38,8
28,2
7,6
7,0
9,6
Quelle: Düsseldorf 2014, S. 62ff.

Sehr auffallend für Düsseldorf ist die sehr enge räumliche Konzentration der Hochburgen von Parteien, die sich politisch nicht unbedingt nahestehen und auch eine abweichende Wählerklientel ansprechen. Entsprechend der räumlichen Verteilung der Sozialräume liefern die Wählerstrukturen der Parteien ein Spiegelbild dieser Vorgaben. So besteht hier eine Hochburg der FDP in der Carlstadt mit 24,4 % neben einem Wert von 4,5 % in Friedrichstadt, wo die Grünen ihr bestes Ergebnis auf Stadtteile mit 24,5 % erreichten.


Die CDU als Partei der wahlfreudigen Quartiere


Ein teilweise ähnliches räumliches Bild wie bei der Wahlbeteiligung findet man für die Verteilung der CDU-Anteile in Düsseldorf, denn beide Zahlenreihen korrelieren relativ hoch mit einander (r= 0,75). Mit anderen Worten wird in den Stadtteilen, in denen viele wählen, auch von vielen dieser Wähler CDU gewählt. Die Hochburgen der CDU liegen so in den Stadtteilen mit einem höheren sozialen Status, in denen gleichzeitig der Ausländer - und der Transferleistungsstatus niedrig sind.



Die SPD als Partei mit deutlich erkennbarer Arbeitertradition

Unter den ökologischen Korrelationskoeffizienten, die für die SPD ermittelt wurden, weisen der Zusammenhang mit der Arbeitslosenquote, dem Anteil der Hartz IV-Bezieher und dem Hauptschüleranteil besonders hohe Werte auf. Das weist auf eine Wählerschaft hin, die sich deutlich von der der CDU unterscheidet, die in beiden Fällen zwar ebenfalls absolut hohe Koeffizienten besitzt, die jedoch jeweils ein anderes Vorzeichen aufweisen.

Der Hauptschüleranteil lässt sich als Indikator für klassische Arbeiterviertel interpretieren, was immer dann wieder ins öffentliche Bewusstsein dringt, wenn über eine in Deutschland bestehende große Abhängigkeit des Schulbesuchs der Kinder vom sozialen Status der Eltern diskutiert wird. 

Die beiden anderen hohen Werte weisen die SPD ah als eine Partei aus, die in sozial benachteiligten Vierteln ihre Hochburgen hat. Dabei ist dieser Zusammenhang sogar noch stärker ausgeprägt als bei der Linken. Bezogen auf die einzelnen Stadtteile findet man die SPD-Hochburgen daher in den alten Industriegebieten entlang des Rheins.


Die Stadtstruktur macht's möglich: Viele Grüne auch in sozial benachteiligten Quartieren

Da der Anteil der Singel-Haushalte oder der Anteil der Altbauwohnungen im Düsseldorfer Wahlatlas nicht ausgewiesen wird, bestehen die stärksten Zusammenhänge bei den Wähleranteilen der Grünen mit dem Anteil der 25- bis 35-jährigen an der Wohnbevölkerung, einer hohen Mobilität innerhalb der Stadtteile und einem geringen Anteil von Ein- und Zweifamilienhäusern. Es sind also erkennbare Indikatoren für einen eher alternativen Lebensstil, wie man sie auch in anderen Städten findet. Dabei handelt es sich in der Regel um 
Altbauviertel in der Nähe des Zentrums. In Düsseldorf ist das konkret die Friedrichstadt südlich der Stadtmitte.

Aufgrund der Lage und der vorhandenen Bausubstanz zählen jedoch zu den Hochburgen der Grünen auch Gebiete, die man aufgrund ihres hohen Transferstatus zu den sozial benachteiligten Quartieren rechnen muss. Das gilt beispielsweise für Flingern-Süd und Oberbilk.



Die FDP als Partei der Wohngebiete des Bildungsbürgertums

Die in Düsseldorf weiterhin relativ starke FDP lässt sich durch hohe Werte für zwei Gruppen von Indikatoren kennzeichnen. Das ist zum einen die Schwäche der Partei in Gebieten, die einen hohen Transferstatus besitzen, also zahlreiche Arbeitslose und Hartz IV-Bezieher aufweisen. 

Zum anderen ist es ein deutlicher Zusammenhang mit den beiden Bildungsindikatoren. So ist die Partei dort schwach, wo ein hoher Anteil der Schüler zur Hauptschule geht, während sie dort Hochburgen besitzt, wo viele ein Gymnasium besuchen. Für diesen Indikator weist die Partei sogar einen besonders engen Zusammenhang aus, der sogar noch über dem der CDU liegt. Konkret sind das neben der mit Abstand vorn liegenden Hochburg der Fridrichstadt auch Nieder- und Oberkassel.

 

Die Linke als Partei der sozial benachteiligten Stadtteile

Aufgrund ihrer Wählerstrukturen kann man die Linke zumindest in Düsseldorf als eine Partei der Nichtwählerquartiere bezeichnen, denn die Korrelation ist mit -0,81 stark negativ. Die Indikatoren, die hierfür vor allem verantwortlich sind, findet man im Transferstatus, wo Korrelationen mit den Anteilen der Arbeitslosen und der Hartz IV-Bezieher von jeweils r = 0,8 bestehen.

Diese Bedeutung des sozialen Status eines Stadtteils, der üblicherweise eng mit dem Transferstatus entkoppelt ist, wird in der folgenden Tabelle deutlich, in der die Stadtteile aufgenommen wurden, die nach der Statusgliederung durch das Jugendamt in Düsseldorf auf den obersten bzw. untersten Rängen rangieren.



Wahlverhalten in „bestsituierten“ und „am schlechtesten situierten“ Sozialräumen bei der Bundestagswahl 2013 


Stadtteil
Wahlbeteiligung
CDU
SPD
FDP
Linke
Grüne
Niederkassel
83,9
52,7
17,1
15,5
2,9
5,7
Oberkassel
83,8
47,4
19,2
14,7
4,0
8,7
Angermund
85,8
52,5
17,9
12,8
3,0
6,5
Garath
58,9
33,9
35,9
3,3
9,4
5
Flingern-Süd
60,7
22,6
33,2
3,9
15,8
13
Oberbilk
64,5
28,9
32,6
4,6
10,2
12,9
Reisholz
62,5
32,5
32,6
4,6
7,8
7,9
Hassels
62,4
40,8
31,3
3,9
7,7
5,4
Düsseldorf
73,3
38,8
28,2
7,6
7,0
9,6

Quellen: Düsseldorf 2013, S. 14, 33 ff., Wahlatlas.



Die AfD: eine Partei ohne Attraktivität in grün-alternativen Stadtteilen


Deutlich schwächer als bei den anderen Parteien sind die Zusammenhänge zwischen Sozialindikatoren und den Aneilen der AfD ausgeprägt. Deutlich erkennbar ist ein schwaches Abschneiden dieser Partei in Gebieten, in denen überdurchschnittlich viele 25- bis 45-jährige leben, während für die folgende Altersgruppe der 45- bis 70-jährigen das Gegenteil gilt. In einem Zusammenhang hiemit kann auch die geringe räumliche Mobilität in den Quartieren der AfD-Wähler stehen, die für eine ähnliche Sesshaftigkeit wie bei den CDU-Wähler spricht, wie die Korrelation mit dem Anteil der Einwohner belegt, die eine Wohndauer von mehr als 10 Jahren haben.


Die sozialräumliche Ähnlichkeit der Parteien


Diese Zusammenhänge lassen sich zu Ähnlichkeitsprofilen für die Parteien ergänzen, wenn man nicht die Korrelationen zwischen den Wähleranteilen der Parteien und den Sozialindikatoren berechnet, sondern statt der Daten für soziodemografische Merkmale die Anteile anderer Parteien benutzt.


Korrelationen zwischen den Anteilen der Parteien in der Europawahl 2014


Partei
CDU
SPD
Grüne
FDP
Linke
AfD
CDU
1
-0,78
-0,54
0,50
-0,89
0,02
SPD

1
0,03
-0,77
0,67
0,09
Grüne


1
-0,07
0,56
-0,51
FDP



1
-0,60
0,08
Linke




1
-0,23
AfD





1

In dieser Korrelationsmatrix werden vor allem die Polarisierungen des Parteienspektrums aufgrund der sozialräumlich unterschiedlichen Verteilung der Wähler erkennbar. So fallen zunächst die hohen negativen Korrelationen zwischen der CDU und der Linken (r=-0,89), der CDU und der SPD (r=-0,78) sowie der SPD und der FDP auf (r=-0,77) auf.

Aber es gibt auch Ähnlichkeiten. Das gilt etwa für ein rot-rot-grünes Lager, auch wenn die Ähnlichkeit zwischen der SPD und den Grünen nur sehr gering ist.

Bei den anderen Parteien fällt noch die positive Korrelation zwischen der CDU und der FDP ins Gewicht (r=0,50), während die AfD in Düsseldorf eine Wählerstruktur aufweist, die mit denen der anderen Parteien keine Ähnlichkeit besitzt; denn höhere negative Werte gelten nur für die Grünen und die Linke.


Düsseldorfs Piraten: ihre Entwicklung zwischen den Bundestagswahlen 2009 und 2013

Neben diesen allgemeinen sozialräumlichen Auswertungen, die der Düsseldofer Wahlatlas erlaubt, besteht aufgrund seiner Zeitreihen, die bis zur Europawahl 2004 zurückreichen, also eine Zeit, in der die Linke noch als PDS angetreten ist, die Möglichkeit, auch ganz spezielle Entwicklungen einzelner Parteien und ihrer Wählerstrukturen zu verfolgen.

Da über die größeren Parteien eine Vielzahl von Untersuchungen vorliegen, bieten sich sozialräumliche Daten, die immer das Handicap besitzen, dass sie nichts über einzelne Wähler, sondern nur etwas über das Verhalten in verschiedene Sozialräumen aussagen können, vor allem für kleine und jüngere Parteien an. Hier lassen sich zusätzliche Kenntnisse über die Wählerschaft ermitteln, die sich etwa in Befragungen aufgrund der geringen Fallzahl der Befragten, die kleinen Parteien ihre Stimme geben, nicht gewinnen lassen.

In Düsseldorf werden im Wahlatlas nur die Anteilswerte für die fünf "größeren" Parteien CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke sowie eine weitere kleine Gruppierung ausgeweist. Damit sind de Möglichkeiten für eine spezielle Fragestellung begrenzt. Das gilt vor allem, weil für die Ratswahl 2014 als sechste "Partei" die "Sonstigen" aufgeführt werden, also eine extrem heterogene Zusammenfassung. So bleiben nur die AfD bei der Europawahl 2014, auf die bereits in einem Städtevergleich eingegangen wurde, und die Piraten, für die im Wahlatlas sowohl Daten für die Bundestagswahl 2009 als auch die von 2013 angeboten werden.


Gerade dieser Vergleich kann die Frage beantworten, ob sich in diesen Jahren mit dem Hype zum Zeitpunkt der Landtagswahl 2011, der Konsolidierung als junger Partei und der Erweiterung der Programmatik auch die Wählerschaft geändert hat.

Auch wenn sich die Piraten selbst als "sozialliberale Bürgerrechtspartei" einschätzen, scheint die Partei zunächst vor allem als Verfechterin einer Freiheit für das Internet wahrgenommen worden zu sein, wofür die hitzige Zensursula-Diskussion im Jahr 2009 um die Sperrung von Inhalten durch die damalige Familienministerin von der Leyen steht.

Vor allem durch das Bundestagswahlprogramm 2013 wurde dann vier Jahre später die Forderung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) zum Thema, für das sich der Berliner Landesverband bereits im Oktober 2010 ausgesprochen hatte. 

Damit hat sich die Partei deutlich von den liberalen und libertären Parteien abgesetzt, die derartige staatliche Umverteilungsaktionen prinzipiell ablehnen. Für prekär Beschäftigte und Hartz IV-Bezieher dürfte es hingegen ein attraktiver Programmpunkt sein, sodass eine Tendenz zur Verlagerung der Wählerschaft in eher sozial benachteiligte Gebiete als Hypothese geprüft werden kann und muss. 

Dabei besteht in diesem Fall sogar die Möglichkeit, die Ergebnisse aus Düsseldorf mit denen aus Bremen zu vergleichen, wo eine ähnliche Auswertung erfolgte. Man kann also bei den Ergebnissen Hinweise erhalten, ob es sich vermutlich nur um eine Aussage handelt, die ausschließlich für Düsseldorf zutrifft, oder ob sie sich verallgemeinern lässt.


Die Piraten in Bremen: eine Vergleichsuntersuchung 


Eine vergleichbare Auswertung, in der auch auf die Piraten eingegangen wird, liegt für Bremen vor. Um der Frage nachzugehen, ob die Ergebnisse eher stadtspezifisch sind oder ein generelles räumliches Verteilungsmuster darstellen, soll hier für Düsseldorf eine gleiche Methode wie in Bremen gewählt werden. Unterschiede, die sich aus den abweichenden sozialstrukturellen Indikatoren ergeben, lassen sich dabei allerdings nicht vermeiden. Daher soll bei der Interpretation vor allem eine Verallgemeinerung in Richtung der Faktoren der Sozialraumanalyse verwendet werden, die aktualisiert mit sozialem, familialem, Ausländer- und Sozialinterventions- oder Transferstatus bezeichnet werden.



Die Ergebnisse der Bremer Analyse


Da die Piraten inzwischen an zwei Bundestagswahlen teilgenommen haben, konnte auch die Bremer Analyse nicht nur ihre Wählerschwerpunkte herausarbeiten, sondern auf Veränderungen innerhalb der letzten vier Jahre aufmerksam machen.

Die Auswertung von Zusammenhängen zwischen den für die Piraten abgegebenen Stimmen und verschiedenen sozialräumlichen Indikatoren zeigt für 2009 deutliche Schwerpunkte auf, die in Quartieren mit einem niedrigen familalen Status liegen, also in Gebieten mit relativ wenigen Kindern und vielen Single-Haushalten. Hier war ihr Wähleranteil sogar mehr als doppelt so hoch wie in dem Gegentyp, also in Wohngebieten mit Kindern, wie sie für den suburbanen Raum typisch sind.

Entsprechend der stärker sozial orientierten Programmatik hat sich diese Struktur bei der Bundestagswahl 2013 in der Tendenz deutlich, vom Ausmaß her hingegen eher geringfügig verschoben. Zwar sind die alten Hochburgen identisch geblieben, nur gab es hier deutliche Verluste, während vor allem in den sozial benachteiligten WiN-Gebieten gleichzeitig deutliche Zugewinne zu verzeichnen sind.

Dieses Muster zeigte sich auch bei den ökologischen Korrelationen, nach denen der Anteil der Piraten mit dem Anteil der Single-Haushalte steigt, während er mit steigendem sozialen Status (Verbreitung von Ein- und Zweifamlienhäusern und vor allem der Wohnfläche pro Kopf) sinkt. Der Ausländer- und der Interventionsstatus weisen hingegen kaum Zusammenhänge mit den Anteilen auf, die die Piraten 2009 und 2013 erreicht haben.

Mithilfe dieser Verteilungsmuster ihrer Wähler lassen sich sozialräumliche Ähnlichkeiten der Parteien bestimmen. Im Vergleich mit den anderen Parteien unterscheiden sich die Piraten dabei sowohl 2009 als auch 2013 besonders deutlich von der CDU. Ihre stärkere soziale Ausrichtung hat jedoch dazu geführt, dass sie aufgrund der sozialräumlichen Verteilung ihrer Wähler 2013 nicht mehr den Grünen besonders stark ähneln wie 2009, sondern jetzt eher der Linken.



Die Piraten in Düsseldorf


Auch wenn die Düsseldorfer Piraten 2012 geringfügig schlechter als die Landespartei abschnitten, erreichten sie in der Landtagswahl am 13. Mai 2012 mit 7, 3 % ihr bisher bestes Wahlergebnis. Dabei wichen die Resultate in den Wahlbezirken der Stadt stark voneinander ab; denn in ihren Hochburgen Flingern-Süd, Oberbilk und Reisholz erreichten die Piraten mit 11,2%, 10,6% und 10,3 % zweistellige Werte, während sie in Niederkassel nur auf 3,5 % kamen. (2012, S. 26).

Vor und nach dieser für die deutsche Parteiengeschichte ungewöhnlichen kurzfristigen Hype erreichten die Piraten bei der Bundestagswahl 2013 2,3 % in Düsseldorf gegenüber 2,2 % im Bund.



Repräsentative Wahlstatistik: eine Partei junger Männer


Nach der repräsentativen Wahlstatistik erscheinen die Piraten in Düsseldorf als Partei junger Männer. (Düsseldorf 2012, S. 13) So wurden 63 % der Stimmen für die Piraten von Männern abgegeben und bei den jungen Wählen erreichten sie 15,0 ( 18 – 25-jährige) bzw. 11,9 % (25-bis unter 35-jährige).

Eingegrenzt auf die männlichen Wähler im Alter zwischen 18 und 25 Jahre konnten die Piraten sogar mit 20,0 % nach der SPD den zweithöchsten Anteil in dieser Wählergruppe erreichen. Auf der anderen Seite waren die Piraten bei den Wählerinnen über 60 Jahre mit 2,0 % besonders schwach. 



Die sozialräumliche Verteilung der Wähler der Piraten



 
     Verteilung der Wähler der Piraten bei der Landtagswahl 2012 (Quelle: Düsseldorf 2012, S. 26)


Die Karte, auf der in der Wahlanalyse der Landtagswahl 2012 die Wähleranteile der Piraten dargestellt sind, lässt eine Konzentration der dunklen Färbung und damit hohe Anteile entlang der Rheinachse von der südlichen  Stadtgrenze bis zur Innenstadt erkennen. Das kann auf hohen Anteile in heute sozial benachteiligen ehemaligen Industriegebieten hinweisen, die eine ähnliche Verteilung aufwiesen, wie oben dargestellt wurde. 

Eine detaillierte Prüfung dieses subjektiven Eindrucks kann eine Berechnung der ökologischen Korrelationen zwischen den Anteilen der Piraten und den soziodemografischen Indikatoren leisten. Dazu wurden die Daten für die beiden Bundestagswahlen ermittelt, um mögliche Entwicklungen ausweisen zu können.


Ökologische Korrelationen für die Stimmenanteile der Piraten in den Bundestagswahlen 2009 und 2013

Indikator
Piraten 2009
Piraten 2013
Frauenanteil
-0,51
-0,37
Migrantenanteil
0,68
0,58
Ausländeranteil
0,61
0,51
Alter


Unter 18
-0,21
-0,24
18 - 25
0,68
0,70
25 - 35
0,67
0,59
35 - 45
-0,18
-0,09
45 - 60
-0,28
-0,45
60 - 70
-0,55
-0,55
70 und mehr
-0,58
-0,49
Anteil Sozialversichungpflichtig Beschäftigter
-0,06
0,06
Nur Frauen
0,06
-0,01
Arbeitslosenquote
0,71
0,77
Arbeitslosenquote Frauen
0,67
0,72
SGB II-Quote
0,66
0,76
Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser
-0,41
-0,46
Durchschnittl. Wohnungsgröße
-0,62
-0,71
Wohndauer


Unter 4 Jahre
0,41
0,36
4 - 10 Jahre
-0,03
-0,04
Über 10 Jahre
-0,36
-0,33


Die ökologischen Korrelationen zwischen den Wähleranteilen der Piraten und den Sozialindikatoren des Wahlatlasses zeigen zunächst ein recht stabiles Muster, denn die sehr hohen bzw. sehr niedrigen Korrelationen werden auch nach vier Jahen erneut für die Indikatoren ausgewiesen, für die das bereits 2009 der Fall war.

Die Piraten sind eine Partei geblieben, die in Gebieten gut abschneidet, in denen viele Bezieher von Tansferleistungen leben, die Bewohner im Alter zwischen 18 und 35 Jahen überdurchschnittlich häufig vertreten sind und relativ viele Ausländer eine Wohnung haben.



Die Ähnlichkeit der räumlichen Verteilung der Stimmenanteile der Piraten mit denen anderer Parteien (Zweitstimmen in den Bundestagswahlen 2009 und 2013)

Partei
Piraten 2009
Piraten 2013
CDU
-0,78
-0,81
SPD
0,50
0,72
FDP
-0,61
-0,75
Grüne
0,62
0,53
Linke
0,73
0,82




Wahlbeteiligung
-0,63
-0,72
Quelle: Wahlatlas.

Wie in dem nicht sehr weit entfernten Oberhausen und auch teilweise in Bremen bestehen damit ähnliche Wählerverteilungen für die Wähler der Piraten und der Linken, aber auch ein wenig abgeschwächt die der SPD und die Grünen. Auf der anderen Seite des politischen Spektrum findet man hohe negative Korrelationen, also eine ausgeprägte Unähnlichkeit, für die CDU und FDP.


Die Piraten stellen damit eine Partei dar, die, wenn man die Terminologie des Düsseldorfer Jugendamtes verwendet, ihre Wähler vor allem in den weniger gut situierten Vierteln findet. Diese These wird auch durch die hohe negative Korrelation mit der Wahlbeteiligung abgesichert, die in diesen Vierteln besonders niedrig ist.

Dem stehen hohen negative Korrelationen mit der CDU und der FDP gegenüber, sodass es aus der Perspektive der Piraten zwei deutlich getrennte Parteienlager gibt.

Zwischen den beiden Bundestagswahlen ist dabei eine Verschiebung eingetreten; denn während die ökologische Korrelation mit den Grünen sich verringert hat, erreicht der Koeffizient mit den Linken für 2013 einen Spitzenwert von 0,82. Hier ist als ein Verschiebung in der sozialräumlichen Wählerstruktur erkennbar.


Auch wenn diese Veränderungen innerhalb einer in den Grundkonturen sehr beständigen Struktur nicht gerade einen revolutionären Austausch der Wählerschaft bedeuten, machen sie auf eine relativ klare Tendenz aufmerksam. Das sozialer formulierte Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2013, in das die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen aufgenommen wurde, hat möglicherweise gerade in den Gebieten zu neuen Wählern geführt, die einen hohen Anteil an Hartz IV-Beziehern aufweisen.


Wähleranteile der Piraten in gut und schlecht situierten Stadtteilen in den Bundestagswahlen 2009 und 2013 sowie der Landtagswahl 2012

Wahlbezirk
Wahlbe-
teiligung BW 203
Piraten
BW 2013
Piraten
BW 2009
Piraten
LW 2012
Niederkassel
83,9
0,6
0,9
3,5
Oberkassel
83,8
1,0
0,9
4,2
Angermund
85,8
1,9
1,3
4,1
Garath
58,9
2,2
1,3
8,3
Flingern-Süd
60,7
4,2
3,4
11,2
Oberbilk
64,5
3,8
2,8
10,6
Reisholz
62,5
3,2
1,8
10,3
Hassels
62,4
2,4
1,7
9,2
Düsseldorf
73,3
2,3
1,7
7,8
Quellen: Düsseldorf 2013, S. 14, 33 ff., Wahlatlas , Düsseldorf 2012, S. 37.


Das spricht generell für die Hypothese eines Trends in Richtung der sozial benachteiligten Gebiete. Konkreter lässt sich diese generelle Aussage an den ausgewählten typischen Stadtteilen veranschaulichen, die nach der Raumgliederung des Düsseldorfer Jugendamtes zu den gut bzw. schlecht situierten Stadtteilen zählen. Danach haben, wie die Tabelle zeigt, die Piraten in allen schlecht situierten Gebieten deutlich zugelegt, während das in den gut situierten Vierteln zwischen 2009 und 2013 nicht so eindeutig der Fall war. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, das in drei dieser Gebiete die Piraten mit einem Wähleranteil von über 10 % bereits in der Landtagswahl während der Monate der Hype ihre absoluten Hochburgen besessen haben (Düsseldorf 2012, Analyse, S. 26)



Quellen:


Güllner, Manfred, Wer sind die Piratenwähler?, in: Cicero vom 27.10. 2011.


Landeshauptstadt Düsseldorf. Jugendamt (Hg.), Sozialräumliche Gliederung der Stadt Düsseldorf. Fortschreibung 2005, Düsseldorf 2005.

Landeshauptstadt Düsseldorf (Hg.), Sozialräumliche Gliederung. Fortschreibung 2011, Düsseldorf 2011.

Landeshauptstadt Düsseldorf (Hg.), Landtagswahl am 13. Mai 2012. Analyse der vorläufigen Ergebnisse, Düsseldorf 2012 (Statistische Informationen 283).

Landeshauptstadt Düsseldorf (Hg.), Landtagswahl am 13. Mai 2012. Repräsentative Wahlstatistik, Düsseldorf 2012 (Statistische Informationen 284).


Landeshauptstadt Düsseldorf (Hg.), Bundestagswahl am 22. September 2013. Analyse der vorläufigen Ergebnisse, Düsseldorf 2013 (Statistische Informationen 285).

Landeshauptstadt Düsseldorf (Hg.), Kommunalwahlen am 25. Mai 2014. Analyse der vorläufigen Ergebnisse, Düsseldorf 2014 (Statistische Informationen 289).

Onkelbach, Hans, Sozialstrukturen in Düsseldorf. Viertel für Reiche, Viertel für Arme, in: Rheinische Post vom 20.12.2013.