Freitag, 11. Dezember 2015

Inhalt

Neben einer kurzen


Einführung in die Sozialökologie und Sozialraumanalyse und einer


Übersicht über städtische Wahlatlanten stehen erste


Beiträge über einzelne Städte im Vordergrund.





Bisher liegen sozialräumliche Gliederungen und Wahlanalysen für folgende Großstädte vor:



Basel:


Basel ist anders: Roter Stadtkanton in einer konservativ-liberalen Deutsch-Schweiz

Bremen:

Sozialräumliche Grundlagen einer sozialkohärenten Stadtpolitik nach Zahlen. Modell und Beispiele

Die Bundestagswahl 2013 in den Bremer Sozialräumen. Teil I: Die Bundestagswahl 2009 in Bremen


Teil II: Bremen-Nord und Bremen wählten anders als der große Rest der Republik


Blumenthal am 10. Mai: Der Streit um eine Handvoll straffälliger Jugendlicher verändert die politische Landschaft

Der Bremer Norden nach der Wahl 2015: Bunter, aber ohne rot-grüne Mehrheit

Nach den hohen Stimmenverlusten der rot-grünen Koalition in Bremen: eine Stadt mit lokalen Extremen und einer vertieften sozialen Spaltung



Bremerhaven:

Die 2015-er Wahl in einer administrativ vereinten Stadtlandschaft:
Bremerhaven



Dresden:


Eine ostdeutsche Metropole mit sozialräumlichen Besonderheiten


Hamburg:

Ein Globalisierungsgewinner mit sozialen Problemzonen. Sozialräume zwischen Nienstedten, HafenCity und Kleiner Grasbrook

Hannover:


Stadt und Region der Landeshauptstadt sozialräumlich analysiert


München:


Münchner Polit- und Sozialstruktur: Eine Stadt mit Herz auch für kleine Parteien



Nürnberg:


Sozialräume und Wahlverhalten in der mittelfränkischen Metropole


Wien: 

Wien: der rote Wasserkopf an der östlichen Peripherie Österreichs

Einleitung




Was kann eine Sozialraumanalyse leisten?





Liebe Leserin, lieber Leser,


in diesem Blog geht es um die sozialräumliche Analyse 
von Städten. Dabei steht keine akademische Frage im Vordergrund, wie der wissenschaftliche Begriff möglicherweise nahelegt, sondern vielmehr werden Themen des Alltagslebens behandelt, die für die heutige Stadtpolitik von erheblichem Gewicht sind. So suchen beispielsweise immer mehr Städte nach Lösungen für ihre städtebaulichen und sozialen Problemviertel. 

Mit einer Situationsschilderung dieser Brennpunkte wie der Dortmunder Nordstadt oder dem Bremer Viertel Tenever soll hier jedoch nicht begonnen werden. Ausgangspunkt ist vielmehr eine ganz einfache allgemeine Frage, die auf die Hintergründe hinweist, die soziale Disparitäten in einer Stadt erst entstehen lassen. Sie lautet:


Wo möchte ich wohnen?


Das ist eine Überlegung, die jeder anstellt, der neu als Student in eine fremde Stadt kommt, nach einem Berufswechsel eine neue Unterkunft benötigt oder mit seiner aktuellen Wohnsituation unzufrieden ist.

Dabei wird jeder bereits vorher Wohnwünsche oder Präferenzen besitzen, wobei sich bereits die angestrebten Wohnformen wie das Leben als Single, als Wohnen mit einer Partnerin oder einem Partner bzw. in einer Wohngemeinschaft unterscheiden lassen. Ähnliches gilt für die Nähe zu einer pulsierenden City oder für eine Vorliebe für mehr Ruhe und Natur am Stadtrand.

Bei dem konkreten Blick auf den Wohnungsmarkt muss man jedoch feststellen, dass sich gewünschten Kombinationen nicht immer leicht verwirklichen lassen und man zu Kompromissen gezwungen wird. Die härteste Restriktion ist dabei die Miethöhe, da wohl fast jeder gern eine attraktive Wohnung hätte, die über seinem Budget liegt.

Diese harte Kappungsgrenze trifft besonders die Bezieher von Transferleistungen, die nicht nur durch ihr Einkommen, sondern auch eine spezielle Angemessenheitsprüfung ihrer Wohnsituation einer deutlichen Kontrolle unterworfen sind, sodass sie mehr und mehr in Vierteln leben, in denen es noch preiswerten Wohnraum gibt.



Die sozalräumliche Differenzierung von Städten


Diese Präferenzen und Zwänge auf dem Wohnungsmarkt haben zu einer unterschiedlichen Verteilung der Einwohner auf die verschiedenen Teile einer Stadt geführt. Dabei lässt sich mit Hilfe empirischer Auswertungen feststellen, dass diese Streuung nicht zufällig erfolgt, sondern nach relativ festen Regeln.

Diese sozialräumliche Verteilung ist hier am Beispiel der Stadt Bremen, die über eine besonders informative Städtestatistik verfügt, dargestellt.

Mit den üblichen Abstrichen, die man bei jeder sozialen Regelmäßigkeit machen muss, lässt sich dieses Modell für praktisch alle Großstädte verwenden. Es ist daher eine gute Grundlage für eine Analyse der einzelnen Städte und die sozialräumliche Verteilung ihrer Einwohner, aber auch für Vergleiche zwischen verschiedenen Städten.

Dafür gibt es sehr unterschiedliche Einsatzfelder, die nicht nur von akademischem Interesse sind und daher hier im Vordergrund stehen sollen.



Die soziale Segregation als stadtpolitisches Problem



Die Veränderungen der Sozialstruktur im Zuge der Globalisierung, der Migration und des demografischen Wandels schlagen sich deutlich in der räumlichen Verteilung der Bevölkerung nieder. So muss die alte Trennung nach Arbeiter- und bürgerliche Vierteln, also nach dem sozialer Status, und nach dem familialen Status zumindest modifiziert werden, da sie weder die heutigen Verteilungsmuster korrekt abbilden noch die Quartiere besonders gut ausweist, für die sich die Politik vor allem interessiert: Das sind mit von Stadt zu Stadt unterschiedlichen Bezeichnungen die Wohngebiete von sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen, womit konkret Viertel mit überdurchschnittlich vielen Hartz IV-Beziehern, Arbeitslosen und Ausländern gemeint sind, in denen relativ viele Kinder und Jugendliche leben. 


Anders als früher liegen diese Gebiete nicht mehr am Cityrand, sondern sind häufig die Großsiedlungen der 1960_er und 1970_er Jahren, die teilweise an den Außengrenzen der Städte gebaut wurden. Verantwortlich dafür sind die Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen des Altbaubestandes am Innenstadtrand, der zu einer deutlichen Verdrängung einkommensschwacher Gruppen geführt hat. Dieser Prozess wird üblicherweise als Gentrifizierung bezeichnet.

Nach den Programmen allen großen politischen Parteien ist diese Entmischung der Bevölkerung unerwünscht. Man will daher dieser Segregation entgegenwirken, wodurch man im Segrgationsindex einen fast idealen Indikator für den tatsächlichen Erfolg dieser erklärten Zielsetzung gewinnt.



Die Frage der sozialräumlichen Gerechtigkeit



Das Leben in einem Stadtviertel bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Bewohner. Das gilt sowohl für die Versorgung mit Infrastruktureinrichtungen wie Kindergärten, Schulen, ÖPNV-Anbindung, Ärzten usw. als auch für das nachbarschaftliche Umfeld. Hier können mehr oder weniger gute Kontakte entstehen und sich Bezugsgruppen herausbilden, die eine Integration in das Bildungs- und Arbeitssystem unterstützen oder behindern. Problematisch im Sinne der sozialpolitischen Zielsetzung ist dabei die Herausbildung einer Armutssubkultur, in der sich viele Bewohner gut eingerichtet haben.

Belastend kann dabei das Image sein, das einzelne Straßen oder ganze Wohnblöcke innerhalb einer Stadt erhalten, womit den Bewohnern ohnehin benachteiligter Wohngebieten eine Integration vor allem in das Arbeitsleben sehr erschwert wird, wenn mit einer Adresse in den Personalabteilungen bereits eine Stigmatisierung der Bewerber verbunden ist.


Sozialräumliche Verhaltensanalysen



Innerhalb der Sozialräume verhalten sich Menschen unterschiedlich. Das kann jeder beobachten, der mit offenen Augen durch ein altes Villengebiet, eine Siedlung mit Einfamilienhäusern am Stadtrand oder eine in die Jahre gekommene Hochhaussiedlung geht.

Dafür sind teilweise allein die unterschiedlichen sozialen Merkmale der Bewohner verantwortlich. Es ist also ein reiner Summeneffekt, wenn man es einmal mathematisch ausdrücken will.

Daneben sind jedoch noch zwei andere Zusammenhänge denkbar und möglich, die damit eine ganz besondere Berücksichtigung erfordern.

Zum einen kann sich die infrastrukturelle Ausstattung in Wohngebieten unterscheiden, und zwar ganz unabhängig vom Bedarf oder der Nachfrage, die fast zwangsläufig in Single-Wohngebieten anders ist als in Quartiere mit jungen Familien und Kindern. So kann sch die Versorgung, auch wenn man die Struktur eines Areals berücksichtigt, deutlich unterschieden, wenn man etwa an die Ausstattung mit Grünflächen oder Arztpraxen denkt. Diese Versorgungsqualität wirkt sich auf die Wohnqualität und sogar das Freizeitverhalten sowie die Gesundheit der Bewohner aus, und zwar ganz unabhängig von ihrem sozialen Status. 


Zum anderen orientieren Bewohner ihr Verhalten immer auch an dem ihrer Nachbarn, die nicht selten zu Bekannten und sogar Freunden werden. Man kann und muss daher erwarten, dass sich dieselbe Person, wenn sie in verschiedenen Sozialräumen wohnt und lebt, abweichende Einstellungen entwickelt.



Die ökologische Wahlforschung sozalräumlich modernisiert



Da Sozialräume eine relativ ähnliche Bevölkerungsstruktur besitzen, eignen sie sich als Ersatz für konkrete Daten über die eigentlich interessierenden Bevölkerungsgruppen, wenn diese Informationen sich nur schwer beschaffen lassen. Es repräsentiert dann beispielsweise das Wahlverhalten in einem Arbeiterquartier die Stimmabgabe von Arbeitern. Dadurch kann man mit Hilfe dieser ökologischen Wahlforschung, da kein Sozialraum wirklich völlig homogen ist, nur eine Näherungslösung sein, die jedoch den großen Vorteil hat, dass sich Informationen schnell und vor allem auch preiswert beschaffen lassen. Sie werden schließlich von der amtlichen Wahlstatistik geliefert und erfordern keine eigenen Erhebungen.

Gerade für einzelne Städte und kleinere Parteien und Wählervereinigungen lassen sich so sozialstruktureller Daten gewinnen, die es sonst nicht gibt. Das gilt in Bremen etwa für die kleinen und jungen Parteien AfD und Piraten sowie die regionale Wählergemeinschaft „Bürger in Wut“.



Sozialräumliche Gesundheitsforschung



Stärker auf die einheitliche Sozialstruktur stellt die sozialräumlch orientierte Gesundheitsforschung ab, da wegen des Datenschutzes einige wichtige Individualdaten etwa zum Raucherstatus nicht vorliegen. Das gilt etwa für den sozialen Status, der einen deutlichen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten besitzt, wie die schichtspezifichen Werte für das Rauchen, den Alkoholkonsum und regelmäßig sportliche Aktivitäten anzeigen.

Um hier Zusammenhänge etwa zu Krebserkrankungen zu ermitteln, verwendet das Krebsregister Bremen einen Benachteiligungsstatus der Ortsteile, um die unterschiedlichen Häufigkeiten von Krebserkrankungen und -sterbefälllen zu ermitteln.



Sozialräume als Grundlage der Bildungs-, Jugendhilfe- und Sozialplanng



Sozialräume dienen jedoch nicht allein der Verhaltensanalyse. Sie können auch unmittelbar für die Verteilung öffentlicher Mittel herangezogen werden. Das gilt etwa für räumliche Bedarfsermittlungen für Erzieher, Lehrer, Sozialabeiter usw., wenn in sozial benachteiligten Gebieten höhere Bedarfsquoten etwa für die Zahl der Erzieherinnen oder der Lehrer gerechnet werden. Hier erfolgen etwa für die Kinder und Jugendlichen in sozialen Brennpunkten prozentuale Zuschlage zu den Werten für den gesamtstädtischen Durchschnitt, deren Größe teilweise durch angeblich objektive Formeln ermittelt wird.


Ein sozialräumlich fundiertes Politikkonzept: Die Bremer WiN-Gebiete



Die Ermittlung der sozialen Benachteiligung einzelner Wohngebiete ist nicht nur eine Grundlage für die Behandlung verschiedener empirischer Fragestellungen, sondern hat auch eine eminent politische Bedeutung. Wenn eine Kommune und ihre Ratsmehrheit das Konzept einer sozialen Stadt verfolgen, bedeutet das fast zwangsläufig den Abbau von Segregation und damit spezielle Maßnahmen in den Gebieten, in denen überdurchschnittlich viele sozial benachteiligte Einwohner leben.

Um entsprechende städtebauliche, aber auch bildungs- und sozialpolitische Interventionen räumlich zu konzentrieren, benötigt man daher eine Abgrenzung geeigneter Teilräume und einen Maßnahmenkatalog, der zu zieladäquaten Änderungen der bestehenden negativen Situation führt.

Einen inzwischen schon relativ alten und daher erprobten Weg hat Bremen mit seinem WiN-Konzept aufgezeigt. Das Akronym „WiN“ steht dabei für „Wohnen in Nachbarschaften“, womit auf eine intendierte Zielsetzung des Projekts hingewiesen wird: die Stärkung nachbarschaftlicher Interaktionen, die gerade in den Großsiedlungen, für die das Programm zunächst konzipiert wurde, nur sehr schwach entwickelt waren. 


Im Zuge der Entwicklung haben sich WiN-Gebiete von ca. 6.000 Einwohnern als geeignete Bezugsräume für den Bremer Maßnahmenkatalog herauskristallisiert. Der besteht als organisatorischer Infrastruktur aus einem Quartiersmanager und einem Quartierstreffpunkt. Die Beteiligungsarbeit der Bewohner erfolgt über Versammlungen, für deren Teilnahme keine Restriktionen bestehen. Diese WiN-Foren können über die einzelnen WiN-Projekte und damit kommunale Finanzen entscheiden. Für die Entscheidungen wird jedoch Einstimmigkeit verlangt, sodass sich beispielsweise teilnehmende gewählte Vertreter trotz dieses plebiszitären Elements nicht überstimmt fühlen können.

Auch wenn sich das WiN-Konzept inzwischen durch den politischen Prozess von seinen fast idealtypisch erscheinenden Anfängen entfernt hat, können die Bremer Erfahrungen weiterhin bei der Diskussion dieser Problemgebiete hilfreich sein, zumal hier sogar vor einigen Jahren eine Evaluation erfolgte.



Die statistische Schwelle zu den sozialräumlichen Aussagen: Zahlen und Indizes



Die Ergebnisse der Sozialraumanalyse verlangen für jede Stadt eine mehr der weniger umfangreiche statistische Auswertung von wichtigen Merkmalen der amtlichen Statistik. Das ist eine oft komplexe statistische Arbeit, da in vielen Fälle aus den Einzelindikatoren wie dem Anteil der Hartz IV-Empfänger, der Einpersonenhaushalte, der Ausländer usw. in einem Ortsteil oder einem anders benannten statistischen Zählbezirk ein Index ermittelt wird. Diese Indexbildung ist notwendig, um die Komplexität eines durch die politische Diskussion vorgegebenen Begriff wie „soziale Benachteiligung“ zu erfassen.

Die praktische Umsetzung kann dann zu unterschiedlichen statistischen Lösungen führen, die teilweise nicht überzeugen, wie einige Beispiele belegen.


Für eine Stadtpolitik, die soziale Unterschiede abbauen will, bieten die Sozialraumanalyse und ihr statistisches Instrumentarium daher noch eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten, die zu einer größeren Zielgenauigkeit von Maßnahmen und damit einem effektiveren Einsatz von knappen Finanzmitteln führen können.

neu: Basel



Basel ist anders: 


Roter Stadtkanton in einer konservativ-liberalen Deutsch-Schweiz




                Blick von Groß- auf Kleinbasel
 

        Quelle: wikipedia


Der Stadtkanton eines Binnenlandes in Grenzlage

Basel, das Tor der EU zur Schweiz, ist eine Grenz- und Brückenstadt. Dadurch konnte sich die Stadt einerseits zu einem Verkehrsknotenpunkt entwickeln, über den Transporte nach Deutschland und Frankreich verlaufen, ja, der Rheinhafen verbindet den Binnenstaat Schweiz über die Niederlande und Belgien mit der gesamten Welt. 

Andererseits wird die Stadtentwcklung Basels ins Umland mit ihren konzentrischen Wachstumsringen etwa bei der Verteilung des familialen Status dadurch behindert. Da die Nachbarn EU-Staaten sind, bestehen Grenzkontrollen und eigenständige Rechtssysteme. Auch wenn eine enge Zusammenarbeit im Großraum Basel besteht, der RegioTriRhenahat sie dennoch einen anderen Charakter als die der deutschen Stadtstaaten Berln, Hamburg und Bremen mit ihren benachbarten Bundesländern. 


Die Kantone Basel-Stadt und Baselland 


Allerdings setzt auch die Schweiz selbst nicht unbedingt auf große Lösungen. So macht sich der häufig beklagte Kantönligeist gerade in Basel besonders bemerkbar; denn der Verflechtungsraum Basel besteht nicht einmal innerhalb der Schweiz aus einem einzigen Kanton. Vielmehr hat man es hier mit den Halbkantonen Basel-Stadt und Baselbiet zu tun, die beide auch für Schweizer Verhältnisse klein sind. So hat Basel-Stadt ca. 190.000 Einwohner, das eher ländlich geprägte Baselbiet oder Basel-Landschaft hingegen 280.000 Bewohner, die sich auf 86 Gemeinden verteilen. Damt handelt es sich um sehr überschaubare Einheiten von durchschnittlich etwa 3.000 Einwohnern. 


Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft
                        Quelle: wikipedia


Auch wenn administrative Hindernisse bestehen, lassen sich die Gemeinden in Baselbiet relativ schnell erreichen, und zwar über Straßen und das gut ausgebaute Schweizer Bahnnetz. So fährt de Basler Straßenbahnlinie 11 bis Aesch und die 14 bis Pratteln in Basel-Landschaft, während die Linie 10 der Tram Dornach mit Rodersdorf im weiteren Nachbarkanton Solothurn verbindet.


Die Entfernungen zu einzelnen Orten in Baselbiet betragen in das benachbarte Arlesheim gut 7 km oder ca. 16 Minuten und in das enferntere Sissach knapp 20 km oder 24 Minuten. Es handelt sich also um durchaus akzeptable Pendlerzeiten, die eine Trennung von Arbeits- und Wohnplatz in den Doppelkantonen erlauben, ohne dass die Freizeit durch lange Fahrzeiten aufgefressen wird.

Geographisch gesehen umfasst Baselbiet damit den südlichen Einzugsbereich der Stadt Basel, der räumlich besonders ausgeprägt ist, da durch die Landesgrenzen andere Teile unterentwickelt bleiben mussten. Das gilt etwa für den Nordwesten und den Nordosten.


Allerdings gehören nicht alle Umlandgemeinden Basels zur EU oder zum Halbkanton Baselbiet; denn die beiden Gemeinden Riehen mit 20.000 Einwohnern und das mit 1.200 Einwohnern erheblich kleinere Bettingen sind Teile von Basel-Stadt.




                Kanton Basel-Stadt: die Kernstadt und zwei Gemeinden
                         Quelle: wikipedia


Beide Gemeinden grenzen östlich an Kleinbasel, sodass auch hier eine Stadterweiterung möglich ist, ohne dass Ländergrenzen überschritten werden müssen. Wie die Karte zeigt, besitzt dabei Riehen von seiner Fläche her durchaus ein größeres Gewicht; denn es umfasst kaum weniger Fläche als Kleinbasel.

 

                                          Die Basler Quartiere
                                        Quelle: wikipedia



Wie auch einige andere Städte ist Basel aus dem Zusammenschluss ehemals unabhängiger Ansiedlungen hervorgegangen, die sich hier auf dem rechten und linken Rheinufer entwickelt hatten, da der Fluss damals offenbar vor allem eine Grenze darstellte. Das entscheidende Datum ist dabei das Jahr 1392, als die Bürgerschaft Grossbasels die Stadt Kleinbasel vom Basler Bischof gekauft hat. 


Die Vereinigung der beiden Teile Basels war also ursprünglich kein Zusammenschluss unter Gleichen, sodass die Begriffe "groß" und "klein" mehr bedeuteten als eine reine Zahlenangabe über die Einwohner oder die Fläche.  

Diese Beurteilung wird durch die sprachliche Bedeutung der verwendeten Begriffe weiter unterstützt, denn Kleinbasel stand früher auch für "minderes Basel", womit auf einen Stadtteil der einfachen Leute hingewiesen wurde, während die Basler Oberschicht in Grossbasel residierte. 

Diese Struktur hat sich weitgehend über die Jahrhunderte bewahrt; denn noch heute gilt Kleinbasel als Arbeiter- und Einwandererviertel. Ein Blick auf die Statistik bestätigt diese Einschätzung, wie in der folgenden sozialräumlichen Analyse noch näher gezeigt wird.  

Wegen dieser statistischen Unterschiede wird die Bezeichnung "minderes Basel" trotz aller heutigen Maßnahmen gegen soziale Diskriminierungen weiterhin als abwertend empfunden, obwohl das Wort "minder" ursprünglichen einfach "kleiner" und keineswegs "minderwertig" bedeutete. Das mindere Basel bezeichnet also vom Begriff her den kleineren Stadtteil, von der sozialräumlichen Struktur einiger Quartiere jedoch noch einiges mehr.

In einigen traditionellen Firmierungen leben die Entstehung Basels und damit die historische Unterscheidung der beiden Ausgangsgemeinden bis in die heutige Zeit fort. Das gilt etwa für die "Handelskammer beider Basel", die "Volkshochschule beider Basel und für die "OdA ("Organisation der Arbeitswelt") Gesundheit beider Basel", um nur eine kleine Auswahl zu nennen.



Die sozialräumliche Struktur Basels


Dank der Arbeit der Basler Stadtforscher und -statistiker lassen sich aus den veröffentlichten Indikatoren die grundlegenden Faktoren einer sozialräumlichen Gliederung des Stadtgebietes ableiten. Dazu dient, wie es in der folgenden Tabelle versucht wurde, eine Rangliste der Basler Quartiere und Gemeinden nach ihren Rangplätzen für den
sozialen, familialen, Ausländer- und Transferstatus. Diese Rangplätze wurden dabei aus den Einzelindikatoren errechnet, die im Anhang aufgeführt sind.

Um einen Eindruck von der unterschiedichen Größe und Verdichung der jeweiligen Räume zu erhalten, wurden auf dieser sozialräumlichen Visitenkarte der Wohngebiete die Zahl der Einwohner und die Bevölkerungsdichte ergänzt. Dabei besteht eine relativ große Spannweite, die bei der Größe zwischen 1.200 (Bettingen) und 18.000 bzw. 20.000 Einwohnern in St. Johann und Riehen beträgt. Auch ergeben sich bei der Besiedlungsdichte nicht zuletzt im Hinblick auf Grünanlagen, Industrieareale oder Brachflächen, deren Beitrag zur Wohnqualität man sehr unterschiedlich beurteilen muss, erhebliche Abweichungen. So kommen beispielsweise in einer Vorortgemeinde wie Bettingen 4.200 Einwohner auf den qkm, in einem suburbanen Wohnquartier wie Bruderholz sind es hingegen 7.600 und in einem Industrievorort mit teilweise verdichteter Wohnbebauung wie Matthäus sogar 39.800. Das ist erheblich mehr als im dichtesten besiedelten Stadtteil Deutschlands, dem Wiesbadener Westend, wo etwa 26.500 Einwohner auf einem qkm leben.


Sozialräumliche Zuordnung der Quartiere und Gemeinden von Basel-Stadt

Quartier
Einwohner
Dichte
Sozialer Status
Familialer Status
Ausländer-status
Transfer-
status
Grossbasel-Altstadt
2.063
80,8
21
3
7
2
Vorstädte
4.662
108
19
2
13
8
Am Ring
10.563
179
14
5
12
10
Breite
8.688
259
8
7
10
12
St. Alban
10.677
97
17
13
9
8
Gundeldingen
18.649
274
9
4
15
13
Bruderholz
9.005
76
20
17
4
2
Bachletten
13.346
158
15
14
1
4
Gotthelf 
6.832
230
13
9
6
8
Iselin 
16.195
288
6
11
14
15
St. Johann
18.638
280
7
12
16
17
Kleinbasel-Altstadt
2.288
174
11
1
11
14
Clara
4.069
297
5
6
18
16
Wettstein
5.366
137
12
8
8
11
Hirzbrunnen
8.646
137
10
18
2
9
Rosental
5.269
148
3
15
21
20
Matthäus
15.962
398
4
11
20
19
Klybeck
7.268
382
1
16
19
21
Kleinhüningen
2.877
224
2
19
17
19
Riehen
20.832
69
16
21
4
5
Bettingen
1.199
42
18
20
5
3
Quelle: Stadtteilporträts und eigene Berechnungen (vgl. Anhang)


    Quelle: Stat. Amt Basel



Zwischen der Grossbasler Altstadt und dem Kleinbasler Klybeck


Für die Bestimmung des sozialen Status von Quartieren bietet die Basler Statistik gleich mehrere Indikatoren an, die sich auf die Höhe der Vermögens- und Einkommenssteuer, die Wohnfläche je Kopf und den Besuch weiterführender Schulen beziehen (vgl. Anhang). Insgesamt wird trotz dieser unterschiedlichen Aspekte, unter denen der soziale Status eines Quartiers gesehen wird, ein relativ einheitliches Bild ausgewiesen. 


Einen hohen sozialen Status besitzen danach Bruderholz am südlichen Stadtrand und die Altstadt sowie die Vorstädte von Grossbasel. Man kann daher generalisierend von einem Südsektor sprechen. Diese Rangordnung gilt in erster Linie für die Höhe der 2011 gezahlten Einkommensteuer. Bei der Vermögenssteuer weisen außerdem die Vorstädte und Gotthelf hohe Werte auf.

Bei einer insgesamt sehr einheitlichen Indikatorenstruktur stehen damit beim sozialen Status einige Grossbasler Quartiere wie Altstadt, Vorstädte und Bruderholz eindeutig an der Spitze und untermauern damit die üblichen Bewertungen der beiden Basler Ursprungsstädte.

Eine nähere Betrachtung verdeutlicht die Unabhängigkeit der vier sozialräumlichen Differenzierungsfaktoren von Städten; denn im Gegensatz zu den beiden Quartieren im Kernbereich von Grossbasel handelt es sich bei Bruderholz um ein Gebiet mit einem hohen familialen Status. Benannt ist dieses Quartier nach einem Gebirgszug an der Grenze zwischen den beiden Basler Halbkantonen, der den Bewohnern reizvolle Hang- und Hügellagen bietet. Hier trug daher weniger die Bausubstanz als die attraktive landschaftliche Lage zum Gebietsstatus und seiner Bewohnerstruktur bei, die offenbar ein Häuschen im Grünen für ihre Familie schätzt.

Die Gegenpole zu diesen gehobenen Wohngegenden bilden die Kleinbasler Quartiere Klybeck, Kleinhüningen und Rosenthal, die sich an der deutschen Grenze im Norden der Stadt konzentrieren.

Damit wird durch diese Indikatorenberechnung eine Schlussfolgerung bestätigt, die Baumann in seiner Dissertation über die Schweizer Großstädte getroffen hat. Danach ist die "Polarisierung" der Städte in Basel am stärksten ausgeprägt, "wo von einer eigentlichen Zweiteilung der Stadt gesprochen werden kann." 

Für ihn reicht so in den Deutschschweizer Großstädten, also nicht nur in dem durch kantonale Grenzen räumlich eingeschränkten Basel, die Streuung der Kernstadtquartiere über die gesamte Variationsbreite, wobei sowohl die statusniedrigsten als auch die statushöchsten Raumeinheiten in der Kernstadt.
liegen.

Das gilt für ihn auch für einen Aufwertungsprozess von Stadtvierteln, den er als Super-Gentrifizierung bezeichnet und der sich an eine erste Modernisierung und verstärkte Wohnnutzung von innenstadtnahen Altbaugebieten anschließt. Von einem derartigen zweiten Aufwertungsschub sind in Basel und Genf die historischen Altstädte betroffen, im konkreten Fall also die Grossbasler Altstadt. Diese "Luxusmodernisierung" kann auch erklären, warum der Anteil der Einpersonenhaushalten in diesen Quartieren zwar innerhalb der Stadt hoch, im Vergleich mit Deutschland jedoch ungewöhnlich niedrig ist. Das dürfte nicht nur an unterschiedlichen Wohnpräferenzen in beiden Ländern liegen, sondern an den Mieten und Immobilienpreisen in diesen knappen Wohngebieten, die für Singles, auch wenn sie eine akademische  Ausbildung abgeschlossen haben, kaum erschwinglich sind. Bei dieser zweiten Verdrängung in angesagten Wohngebieten spricht der Geograf Baumann von einer "Super-Gentrifizierung".

Dabei ist die Pharmastadt Basel bis heute stark durch den industriellen Sektor geprägt ist. Noch in den 1980-er Jahren spiegelte sich die Dominanz von Chemie und Pharmazie in einer relativ linken politischen Grundorientierung der gesamten Region Basel wieder, wie man sie anderen Teilen des Banken-
und Versicherungslandes Schweiz nicht kennt. 



  Quelle: Stat. Amt Basel



Innerstädtisch alternativ oder am grünen Stadtrand? Der familiale Status der Basler Quartiere


Beim familialen Status weist Basel ein typisches Muster einer zonalen Struktur auf, wobei die Höhe des familialen Status von den Altstädten Gross- und Kleinbasels nach außen hin ständig ansteigt. So findet man die meisten Einpersonenhaushalte in den Kernbereichen sowie den Vorstädten, wobei allerdings auch in der Single-Hochburg, den Vorstädten Großbasels, der Anteil nur bei knapp 33 % liegt, also deutlich unter den Werten in deutschen Städten wie etwa in Hamburg, wo Werte über 70 % keine Ausnahmefälle sind. Besonders zutreffend ist hingegen die Bezeichnung "Atbaugebiete" für diese Quartiere, da das mittlere Baujahr der Wohngebäude zwischen 1827 und 1899 liegt.

Einen hohen familialen Status findet man neben den Umlandgemeinden Bettingen mit einem Anteil an Einpersonenhaushalten von nur 10,2 % und Riehen, aber auch dem südlichen Grossbasler Quartier Bruderholz, wo in diesem nach einem Siedlungsplan für ein gehobenes Wohnviertel im Grünen gebaute Areal 16,5 % Singlehaushalte gezählt wurden. Auch von seiner Topogrphie her entspricht Bruderholz einem Sozialraum mit einem hohen familialen Status, da es eine lockere Bebauungsstruktur mit einem entsprechendes kurvenreiches Straßnetz besitzt. Damit besteht ein scharfer Kontrast zum
hochverdichteten angrenzenden Gundeldingerquartier. Dort liegt der Ateil der Einpersonenhaushalte auch für Basler Verhältnisse mit fast 30 % relativ hoch.

Einen hohen familialen Status besitzen ganz wie in Deutschland jedoch nicht nur Stadtviertel im Grünen, sondern auch Sozialräume mit einem hohen Transferstatus. Dazu zählt vor allem Kleinhüningen im Norden von Kleinbasel mit 18,7 %.




   Quelle: Stat. Amt Basel


Basels Ausländerviertel: Bachletten und Rosenthal

Obwohl der Kanton Basel-Stadt praktisch vom "Ausland" umgeben ist und in der Schweiz ganz generell zahlreiche Einwohner einen Migrationshintergrund besitzen ist der Ausländerstatus relativ uneinheitlich über das Gebiet des Kantons und auch die Stadt Basel verteilt. So leben in Bachletten an der französischen Grenze im Westen mit 21 % der Einwohner nur relativ wenige Ausländer, während es gleichzeitig drei Quartiere gibt, in denen die Ausländer die Mehrheit stellen. Das gilt für Rosental, den Spitzenreiter mit 54 %, sowie für Matthäus und Klybeck, also alles Stadtteile Kleinbasels.

Auch wenn in diesen Quartieren gleichzeitig relativ zahleiche Einwohner leben, die von Sozialhilfe leben, fallen der Ausländer- und der Transferstatus fallen jedoch nicht zwangsläufig zusammen. Beispiele für das Gegenteil liefern die Daten für den Kern Grossbasels, also eine von dem vielfältigen Angebot an Events und urbaner Infrastruktur her attraktive Kernstadt mit der angesehenen Basler Universität, an der insgesamt ca. 11.000 Studenten studieren. Das ist nicht eben wenig, wenn man diese Zahl in Relation zu den 175.000 Einwohnern Basels sieht. Ihre Nähe kann zu dem hohen Ausländeranteil in der Altstadt Grossbasels und den Vorstädten beigetragen haben. Allerdings stellen die Studenten damit einen kleineren teil der Wohnbevölkerung als in der benachbarten deutschen Universitätsstadt Freiburg im Breisgau, wo auf 220.000 Einwohner über 24.700 eingeschriebene Studierende im WS 2013/14 kamen.


    Quelle: Stat. Amt Basel



Das gespaltene Klein-Basel: alternative und sozial benachteiligte Quartiere


Die sozial benachteiligten Quartiere Basels konzentrieren sich mit einem Anteil von knapp 10 % und mehr Sozialhilfeempfänger an der Wohnbevölkerung in Kleinhüningen, Klybeck und Mattheus im Nordosten an der Grenze nach Deutschland.


Mit diesen Sozialräumen, die einen hohen Transferstatus aufweisen, sind die Quartiere weitgehend deckungsgleich, die einen Ausländeranteil von etwa 50 % aufweisen. Nur steht, beschränkt man sich auf die drei Gebiete mit einem besonders hohen Anteil an Ausländern, anstelle von Kleinhüningen, das an fünfter Stelle rangiert, Clara an der Spitze, also ein Quartier, das unmittelbar an die Altstadt von Kleinbasel angrenzt. Damit scheinen Ausländer weniger stark als die Empfänger von Transferleistungen an den Stadtrand gedrängt zu werden.



                      Lüftungsschacht der Stadtautobahn in Klybeck

                            Quelle: wikipedia


Bei den Quartieren handelt es sich weitgehend um Viertel mit Hafen- und Industrieflächen, wo man erleben kann, dass Basel das Tor zur Schweiz ist und über eine weltweit anerkannte Chemie- und vor allem Pharmaindustrie verfügt. So war Klybeck früher ein typisches Arbeiterquartier, während man hier heute, also nach den Umbrüchen in der industriellen Beschäftigtenstruktur, auch Studenten finden. Das trifft sogar zu, obwohl Klybeck im Gegensatz zum Matthäusquartier über keine Rheinpromenade verfügt, da die Uferpartie den durch Hafen und die Industrie genutzt wird.

Ein ähnliche Struktur weist Kleinhüningen im Dreiländereck auf,wo aus einem alten Dorf ein Quartier mit Industrie- und Hafenanlagen entstanden ist. 



Basel und die Schweiz: ein Vergleich des Wahlverhaltens


Wie auch im Fall anderer Städte und Kantone der Schweiz unterscheiden sich die politischen Strukturen der namensgebenden Kernstädte und das übrige Gebiet der Kantone deutlich. Das trifft für Zürich, Genf, Basel, Bern, Luzern und St. Gallen zu, für die der Schweizer Wahlanalytiker  Seitz einen deutlichen Unterschied zwischen den Kernstädten mit einer starken rot-grünen Wählerschaft und ihrem Umland herausgearbeitet hat, wo die Schweizer Volkspartei, der Freisinn und wechselnde Parteien der politischen Mitte gemeinsam Mehrheiten erzielen. (Seitz 2006)


In der Stadt Basel dominierten so lange Zeit eine starke sozialdemokratische Partei (SPS) und zwei liberale Parteien. 


Inzwischen haben sich diese klassischen bürgerlichen Parteien zwar auf Bundesebene 2009 und in Kantonen wie Genf, Neuenburg und Waadt zusammengeschlossen, aber in Basel bestehen die Liberal-Demokratische Partei (Basel) (LDP) und die etwa gleich starke Basler FDP weiter. Die FDP, die vor dem Zusammenschluss in der Schweiz Freisinnig-Demokratische Partei Basel-Stadt (FDP) hieß vertritt dabei ein sehr ähnliches Programm, das sehr stark auf die Eigenverantwortung jedes Bürgers setzt und nur dort den Eingriff des Staates erwartet, "wo durch sein Handeln ein Mehrwert für die Gesellschaft entsteht".  Das dürfte für beide liberale Parteien gelten. Unterschiede sehen führende Politiker der Liberalen eher im sozialen Bereich, wenn sie ihre Partei als "Vertreterin des Gewerbes" sehen, während der "freisinnige" Teil der neuen liberalen Partei dem öffentlichen Dienst näher stehen soll.(Sutter)

Dieser inzwischen wegen des geringer gewordenen Gewichts der Liberalen zu einer politischen Marginalie gewordene Tatbestand bestätigt weiterhin einen eher eigenständigen Weg der Basler Wähler und Politiker. Hintergrund für diese weitere Selbständigkeit der LDP in Basel und damit für eine der ältesten Parteien der Schweiz, war früher die traditionelle Interessenvertretung des Basler Großbürgertums, des so genannten Daigs. Dieser Begriff, der sich von dem Wort "Teig" ableiten soll, was wiederum das soziale Selbstverständnis dieser Schicht ausdrücken kann, ist eine im Raum Basel und in der Deutschschweiz geläufige Bezeichnung für Familien der Stadtbasler Oberschicht, die seit Generationen das Bürgerrecht besitzen. Es handelt sich um eine soziale Gruppe, die durch eine ausgeprägte Selbstabgrenzung gekennzeichnet ist, sowohl abwärts gegenüber dem Mittelstand und der Unterschicht als auch seitwärts gegenüber "Neureichen"

Diese Wurzeln der Liberalen reichen weit über das offizielle Gründungsjahr 1905 und damit die jüngere Wirtschafts- und Sozialgeschichte Basels zurück. Seitdem haben allerdings die soziale Geschlossenheit und die Wirkungsmacht des "Daig" vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark abgenommen. .

Während der Industrialisierung besaß Basel noch nicht mit Novartis und Roche seine global aufgestellten führenden Unternehmen, sondern lebte vor allem vom Großhandel, dem Bankwesen und der Seidenbandfabrikation, die zunächst durch die Hersteller von Anilinfarben auch für die Seidenfärberei verdrängt wurde, für die Namen wie Geigy, Gesellschaft für Chemische Industrie Basel (Ciba) und Sandoz stehen, um nur die wichtigsten zu nennen. Damit verbunden war eine stärkere Ausrichtung auf den globalen Markt und ein erheblich höheres Gewicht der Forschung, was nicht ohne Auswirkungen auf den regionalen Arbeitsmarkt blieb.

Diese Vergangenheit behielt über viele Jahrzehnte in Basel-Stadt ihr Gewicht, denn die beiden liberalen Parteien sind zwar in Basel-Stadt weiterhin stark, wenn man sie mit der Schweizer Volkspartei (SVP) vergleicht, die seit 2003 zur größten Partei der Schweiz geworden ist, aber in Basel weiterhin nicht im Regierungsrat vertreten ist, in den stattdessen ein Freisinniger und ein Liberaler gewählt wurden, und die bei der Wahl zum Kantonalrat mit 15 % der Stimmen deutlich weniger Zustimmung erhalten hat als die beiden liberalen Parteien zusammen. 

Die große Zeit des liberalen Basels ist jedoch schon lange vorüber; denn 1905 besaßen die FDP und die LPS mit 37,8 % bzw. 23,0 % mit insgesamt  60,8 % der Stimmen noch eine unerreichbar scheinende Mehrheit. Das änderte sich dann allerdings in den kommenden Jahren, als die Sozialdemokraten zunächst 1911 stärker als die größte liberale Partei und 1920 mehr Stimmen erhielten als die liberalen Parteien insgesamt. 

Für längere Zeit wurde Basel dadurch zu einer Hochburg der Sozialdemokratie. In den 1930er-Jahren stellten Sozialdemokraten und Kommunisten zusammen sogar die Mehrheit, sodass diese Zeit als "rotes Basel" in die Geschichte einging. In der Zeit des Kalten Krieges dominierten jedoch auch in Basel wieder die bürgerlichen Kräfte. 

In der Gegenwart kann weder das rot-grüne noch das bürgerliche Lager eine absolute Mehrheit für sich beanspruchen. In der Grossratswahl 2012 erreichten beide Lager gleich viele Sitze, wobei der Einzug der rechtspopulistischen "Volks-Aktion gegen zu viele Ausländer und Asylanten in unserer Heimat" ins Kantonsparlament gerade in Basel nicht nur Aufsehen erregte, sondern auch bei der Bildung von Koalitionen berücksichtigt werden musste. 

Unter der weltoffenen rot-grünen und liberalen Mehrheit scheint es auch in Basel Wähler zu geben, das sich nicht in der Regierung und im Kantonsrat repräsentiert sehen, ja, es auch gar nicht können, da die Wahlbeteiligung 2012 nur betrug 41,6 %. Von zehn Wahlberechtigten hat also mit vier Wählern nur eine Minderheit eine gültige Stimme abgegeben.


Die Sozialdemokraten und die übrige Linke


In Basel als Stadt der Chemie- und Pharmaindustrie lebten und wählten seit Beginn der Industrialisierung viele Arbeiter, deren politischen Vertretungen es zwischen 1935 und 1950 sogar gelang, die Mehrheit der Stadtregierung zu stellen, indem die Sozialdemokraten und Kommunisten seit der Wahl 1935 vier von sieben Positionen im Regierungsrat besetzten konnten. Es gab daher eine linke Mehrheit im Basler Rathaus und daher einen Grund, den Großstadtkanton am Rhein während dieser Jahre als "rotes" Basel zu bezeichnen. 


Allerdings blieb diese Position nicht ge
rade unangefochten. Zwar war die SPS 1908 zur stärksten Partei in einer ehemals liberalen Hochburg geworden, aber durch die 1921 erfolgte Trennung von den Kommunisten, die 1929 in Basel, also in der Weltwirtschaftskrise, mit knapp 20 % der Stimmen fast so stark wie die Sozialdemokraten mit gut 25 % wurden, musste man sich mit der linken Konkurrenz arrangieren. 

Einen großen Erfolg der Linken brachte die Wahl 1938, als der große deutsche Nachbar seinen ganz anderen Weg ging; denn damals erzielten die beiden Arbeiterparteien unter dem Motto "Basel blybt sozial und demokratisch" mit 51 bzw. 15 Sitzen im Kantonsrat auch in der Basler Legislative eine Mehrhreit. In dieser Wahl stellte sich die Linke mit dem Kampfruf «Basel blybt sozial und demokratisch» gegen der NS-Regierung im Deutschen Reich und ein vorsichtiges Taktieren der bürgerlichen Parteien in Basel.

Das änderte sich dann 1940, als die KP in der Schweiz verboten wurde, bevor sie unter dem Namen Partei der Arbeit (PdA) 1944 auf der linken Seite des Parteienspektrums neu entstand, wobei ihr auch Teile des linken Flügels der SPS beitraten. So erreichte diese "junge" Partei bereits 1950 knapp 15 % der Stimmen, und zwar vor allem zu Lasten der Sozialdemokraten, die in dieser Wahl bei einem Verlust von 11,7 Prozentpunkt auf 28,1 % kam. 

Auch wenn es von den gewendeten Begriffen her naheliegt, war die Situation im "roten" Basel damit nicht mit der im "roten" Wien vergleichbar. Am Rhein stand die Mehrheit jeweils auf unsicheren Füßen, da sie von dem knappen Wahlergebnis für einen Regierungsrat abhängig war und die Linke ohnehin mit den Liberalen und Vertretern anderer Parteien zusammenarbeiten musste. Eine sozialdemokratische Kommunalpolitik aus einem Guss war damit nicht möglich. 

Der Begriff musste daher in der Schweiz vor allem als politische Charakterisierung nicht zuletzt der Basler Sozialdemokraten verstanden werden, die "zum Entsetzen" der übrigen Schweizer Sozialdemokraten und Gewerkschaftlern für die Großratswahlen 1938 eine Listenverbindung mit Kommunisten eingegangen.

Innerhalb der Schweiz nahm das "rote" Basel gewissermaßen eine Zwischenstellung zwischen Genf und Zürich ein. Einerseits waren die Kommunisten in Basel – wie in Genf und Lausanne – ein nicht vernachlässigbarer politischer Faktor, weil sie halb so stark wie die Sozialdemokraten waren. Andererseits aber blieb das Verhältnis zwischen beiden Parteien angespannt, da die 1921 erfolgte Spaltung der Linken noch nicht lange zurücklag und die Kommunisten mit einem Blick auf die Situation im Deutschen Reich die "Sozialdemokraten als Steigbügelhalter der Faschisten" attackierten.

Trotz dieser Spannungen gingen die Sozialdemokraten auf die vorgeschlagenen gemeinsamen Wahllisten ein, da sie im Parlament auf die Stimmen der Kommunisten angewiesen waren, um mehrheitsfähig zu werden. 

Doch auch mit diesem politischen Schachzug verfügte die SPS nur zwischen 1938 und 1940 über eine Mehrheit im Parlament, vorher und nachher brauchte sie immer auch noch die Stimmen einiger Bürgerlicher. Die Sozialdemokraten konnten diese Verbündeten jedoch nicht nur solche im Parlament für sich gewinnen. Mit ihrer Politik von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen während der Weltwirtschaftskrise konnte sie auch Handwerker für sich gewinnen und damit auch Wähler gewinnen, denen eine sozialistische Arbeiterpartei relativ fremd war.

Der beginnende Kalten Krieg und der Stalinismus standen in den folgenden Jahren einer Wiederbelebung des "roten Basel" im Wege, als die SP in den 1970-er und 1980-er Jahren sogar auf unter 20 % zurückfiel, während die alternative Linke und vor allem neue Parteien in der Mitte, so der Landesring der Unabhängigen (LdU) und die Demokratisch-Soziale Partei (DSP), eine Abspaltung des rechten SP-Flügels, reüssieren konnten.  

Erst in Verbindung mit der Studentenbewegung setzten zwei neue Impulse im linken Lager ein. Der erste griff die kommunistische Tradition in Basel auf und führte zur Gründung der Progressiven Organisationen Basel POB, die 1984 15 Sitze im Kantonsrat gewinnen konnten, bevor sie sich 1996 nicht mehr an der Wahl beteiigten. 

An ihre Stelle traten die zu einer Liste vereinten Alternativen Organisationen Grüne, BastA und FrB, die in diesem Jahr 13 Sitze errangen und 2004 sogar 16. Durch diese Neugründungen wurde begrifflich verdeutlicht, dass der Marxismus für den größten Teil der alternativen Bewegung nicht mehr das dominante oder gar einzige Erklärungsmuster darstellte. Besonders augenfällig wird das bei der Umfirmierung der Progressiven Organisationen Basels in BastA! (Seitz 1999). 

Als wichtiges Thema innerhalb der alternativen Bewegung wurde in dieser Zeit die Emanzipation der Frau durch Gruppierungen wie die  Organisation für die Sache der Frau (OFRA) und in Basel die Frauenliste Basel (FrB) in den politischen Prozess eingebracht.

Damit hatte in Basel eine neue Epoche linker Politik im Regierungs- und Kantonalrat begonnen, da Rot-Grün 1996 59 der 130 Sitze im Kantonsrat errang, von denen 20 auf die links-alternative Listenverbindung entfielen. Diese Relationen haben sich seitdem im Großen und Ganzen auch im inzwischen auf 100 Abgeordnete reduzierten Kantonsrat erhalten. Auch wenn die beiden Parteien noch leicht an Wähleranteilen gewonnen haben, bleiben sie für eine Mehrheit nach Sitzen auf die Stimmen der einen oder anderen Fraktion in der Mitte angewiesen. 


Der soziale Wandel der "A-Städte" nach René L. Frey


In den neunziger Jahren änderte sich die soziodemographische Zusammensetzung, und die erwähnten Probleme der «A-Städte» verlagerten
sich in die ehemaligen Arbeiterquartiere am Stadtrand oder in die dichtbesiedelten Vorstädte.

Eine Analyse der Volkszählungsergebnisse von 1990 und 2000 zeigt, dass in den Kernstädten der soziale Status und die Individualisierung der Lebensformen stark angestiegen waren. Dabei ist 
in den Kernstädten der soziale Status der Bevölkerung vor allem bezüglich der tertiären Bildungsabschlüsse hoch, während die Individualisierung der Lebensweise dazu führte, dass die sozialen Probleme kaum mehr durch familiäre Gemeinschaften aufgefangen, sondern vielmehr direkt auf staatliche Institutionen übertragen wurden.

Interessant ist namentlich die Feststellung der Analyse, dass sich diese Entwicklung nicht gleichermassen in den einzelnen Städten vollzogen habe, sondern dass die Grossstädte sozial polarisiert seien, wobei die beiden Lager nur durch eine relativ schmale Mittelschicht verbunden seien. In den Kernstädten seien so reiche und arme Schichten unter einem Dach vereint.

Veränderung der Parteie(Seitz)

Weiter verfolgten die roten Städte mit grosser Konsequenz die Kommunalisierung der «industriellen Betriebe», zu denen die Gas-, Wasser und
Elektrizitätswerke, die Trams, die öffentlichen Schlachthäuser und die Volksbäder gehörten.

Dabei konnte die SP an beträchtliche Vorarbeiten der bürgerlichen Parteien, namentlich der Freisinnigen, anknüpfen. In der Absicht, die städtischen Betriebe zu Musterbetrieben zu machen, sorgten die roten Städte auch für gute
Arbeitsbedingungen und kürzere Arbeitszeiten beim öffentlichen Personal.

Von diesen Aktivitäten der öffentlichen Hand sollten nicht nur die breiten Bevölkerungsschichten profitieren, sie sollten auch die stockende Wirtschaft ankurbeln. Damit vermochte die SP auch bürgerliche Handwerkerkreise anzusprechen, welche von der Arbeitsbeschaffungspolitik profitierten. Im «roten Basel» etwa führte dies dazu, dass diese ihren traditionellen Anti-Sozialismus-
Reflex ablegten, was das «rote Basel» auch nach dem Verbot der Kommunistischen Partei durch den Bundesrat von 1940 überleben liess.

SoziodemographischerWandel

Spätestens Ende der vierziger Jahre endete die Phase der roten Städte. Der Staatsstreich der Kommunisten in der Tschechoslowakei von 1948 liess die kommunistische PdA viel Goodwill einbüssen, und in der Folge wurde in Zürich und Basel die PdA aus der Regierung abgewählt, und im Parlament brach sie massiv ein. Dies bedeutete gleichsam das Ende der linken Regierungsmehrheiten.

In der Folge wirkte die SP in den meisten Stadtregierungen als Konkordanzpartnerin mit.

Eine Änderung der politischen Mehrheitsverhältnisse in den Städten bahnte sich erst wieder in 
den 1980er Jahren an, als sich die Probleme in den Städten zuspitzten: Ein Hauptproblem war der Privatverkehr, der infolge der Trennung des Arbeits- und Wohnorts die Städte als Wohnort unattraktiv machte. Ein weiteres Hauptproblem war die zunehmende Konzentration von sogenannten
sozial Marginalisierten in den Städten, was der Wirtschaftswissenschafter René L. Frey mit dem Begriff der «A-Stadt» umschrieb. Er verstand darunter das Phänomen, dass in den Städten Alte, Arme, Alleinerziehende, Arbeitslose,
Auszubildende und Ausländer überproportional vertreten waren. Aus diesen beiden Problemen resultierte in der Regel ein drittes: die Krise der städtischen Finanzen. Insofern die Städte nur über relativ wenige starke Steuerzahler verfügen, fehlten ihnen häufig die Mittel, um ihren Ausgaben nicht zuletzt bei Transferleistungen an die sozial Benachteiligten erfüllen zu können.



Die Rechte in Basel: Liberaldemokraten und SVP

Der Aufstieg der ehemaligen Bauernpartei BGB mit ihrer traditionellen Hochburg im Berner Oberland zur gesamtschweizerischen nationalkonservativen Partei unter Namen Schweizerische Volkspartei (SVP) konnte ninht ohne Auswirkungen auf de Kanton Basel-Stadt bleiben, auch wenn er hier sehr verzögert und langsam eingesetzt hat. In der Schweiz setzte der Höhenflug mit dem Referendum über einen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vom Dezember 1992 an. Sie steigerte die Partei für einen "Alleingang" der Schweiz in diesen Jahren ihren Stimmenanteil von 12% (1991) auf über 29 % (2015). 

Dabei expandierte die Volkspartei in drei Richtungen: Zuerst sog sie als größere Konkurrentin die bestehenden rechten Parteien mit einer ähnlichen Programmatik auf, so die Auto-Partei und die Schweizer Demokraten (SD).  Anschliessend richtete sie sich verstärkt gegen die FDP und die CVP, die sich in den 1990-er Jahren für eine Annäherung an Europa stark gemacht hatten und damit aus Sicht der SVP falschen Kurs verfogt hatten. Auch damit hatte man Erfolg; denn beide Parteie verloren Wähler an die SVP. Insgesamt halbierte sich die Parteistärke der CVP nvon 21% (1979) auf 11,6% (2015) beinahe, während e FDP nur wenig schwächer von 27% auf 16,4 % zurückging. Schließlich gelang es der SVP auch das konservative Wählerpotenzial in der Romandie und in Basel-Stadt anzusprechen, wo sie in den BGB-Zeiten sehr schwach oder gar nicht vertreten war. 

Auf diesem Weg hat sich die SVP inzwischen zu einer straff geführten und einheitlich auftretenden rechtspopulistischen Protestbewegung gewandelt, die in der ganzen Schweiz als "Catch-All-Partei" in den meisten sozialen Schichten Anhänger findet. Damit stellt sie von ihrer sozialen Organisation her ein Pendant zur eher elitären Persönlichkeitenpartei LDP da, wie sie in Basel bisher überleben konnte.


Klein- und Groß-Basel


Die Unterscheidung zwischen Gross- und Klein-Basel ist nicht nur eine geographische Abgrenzung, die zwischen dem rechts- und dem linksrheinischen Teil der Stadt trennt. Sie resultiert auch nicht vor allem aus einem historischen Ausgangspunkt, der nach und nach an Bedeutung verliert.

Wie bereits die sozialräumliche Analyse der Stadt Basel ergeben hat, bestehen auch heute weiterhin deutliche Unterschiede zwischen beiden Teilen Basels; denn die Sozialräume mit einem hohen sozialen Status findet man nur in Gross-Basel, während sich sozial benachteiligte Viertel mit hohen Anteilen von Empfängern von Transferleistungen, Arbeitslosen und Ausländern an der Grenze nach Deutschland in Klein-Basel konzentrieren.

Dieser weiterhin unterschiedliche Charakter bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das aktuelle Wahlverhalten. Hier fällt Klein-Basel durch eine relativ niedrige Wahlbeteiligung von weniger als 40 % auf.

Kleinbasel ähnelt damit vom Wahlverhalten her einer Mischung aus einem innenstadtnahen Altbaugebiet und einem sozial benachteiligten Quartier, für das in Dutscland eine niedrige Wahlbeteiligung und ein hoher sozialdemokratischer Wähleranteil kennzeichnend sind. Im Hinblick auf diese Indikatore des Wahlverhalens wäre Klein-Basel zumindest insgesamt kein Sozialraum mit einem hohen Transferstatus, da hier anstelle der Sozialdemokraten die Grünen ihre Hochburg am Tor zur Schweiz mit 15 % haben. Unterdurchschnittlich schlecht schneiden hingegen die bürgerlichen Parteien der Mitte und der Rechten in Klein-Basel ab. Das gilt neben den beiden liberalen auch für die CVP und die Grünliberalen. 

Aber das ist nicht die einzige Besonderheit; denn Kleinbasel ist auch die Hochburg von Kleinparteien und politischen Start-ups ganz unterschiedlicher Couleur, die hier relativ häufig mit eigenen Listen politisch aktiv werden. Ein Grund kann im Wahlrecht liegen, das gegenwärtig für den Einzug in den Basler Großrat das Überspringen einer 4 %-Klausel in einem Wahlbezirk verlangt.


In den letzen Jahren haben sich drei Gruppierungen an den Wahlen zum Großrat beteiligt, die man entweder einem kleinbürgerlichen oder einem eher alternativen Milleu zurechnen kann. 

Mit "Entsetzen" wurde der Erfolg der rechtsgerichteten "Volks-Aktion gegen zuviele Ausländer und Asylanten in unserer Heimat» (VA)" von den Medien und Politikern der anderen Parteien bezeichnet, da ihr Gründer, der "Polit-Querulant" Eric Weber als Proramm ausschließlich eine rigorose Umsetzung des Parteinamens vertritt. Er selbst sieht sih und seine Partei hingegen als Repräsentanten "für die armen Leute im Kleinbasel im Grossen Rat". (Gernet)

In Kleinbasel stimt jedoch nicht nur jeder zwanzigste Wähler für eine rigorose Zwanderungs ud Flüchtlingspolitik. Es gibt auch Kleinpaarteinen, die sich für Minderheiteen insetzen. Hierzu zählt die Homosexelle Liste Kleinbasel, die sich zwischen 1988 und 2004 an Großratswahlen beteiligt hat und zuletzt knapp 1 % der Stimmen erzielen konnte. Damit blieb ihr ein Erfolg wie der "Rosa Liste" in München verwehrt, da anders als in der bayerischen Hauptstadt keine Listenabsprache mit den Grünen oder einer andere Partei bestand. Diese Emanzipationspartei wurde, nachdem es kein staatliche Diskriminierung sexueller Orientierungen gibt, im Jahr 2008 aufgelöst.


Neben den Piraten, die in Basel auf den Wahlzetteln gleich die Forderung eines freien WLAN als Ergänzung des Parteinamens anfügten trat 2012 noch FUK ausschließlich in Kleinbasel als aktuelle alternative Keinpartei an. Die Kombination der drei Buchstaben soll dabei für "Freistaat Unteres Kleinbasel" stehen und erinnert damit an die "Freistadt" Christiania in Kopenhagen.

Allerdings will diese von dem Künstler Christian Mueller initiierte Partei nicht nur die Selbstverwaltung für ein städtisches Quartier, sondern als "separatistische" Gruppe gleich "die Loslösung der Region Basel (Basel-Stadt, Baselland, Fricktal, Dorneck-Thierstein) von der rassistischen Restschweiz und die Vereinigung mit dem angrenzenden Elsass und Südbaden zur unabhängigen Metropolregion Basel."

Eine weitere Forderung von FUK, der man eine gewisse Medienwirksamkeit nicht absprechen kann, ist neben Abgrenzung "von der rassistischen Restschweiz eine Wasserrutschbahn von der Johanniterbrücke in den Rhein.

Mit diesem Programm, das teilweise an die deutsche Satirepartei "DIE PARTEI" erinnert, erreichte FUK 2012 in Kleinbasel von 1,4 % der Wählerstimmen (2012, S. 60)


Das ganz andere Basel: Bettingen und Riehen


Sehr krass erscheint die Kluft zwischen der Stadt und den beiden angrenzenden Gemeinden des Kantons, die sich untereinander nochmals deutlich unterscheiden. 
Wer die Stadtgrenze Basels hinter sich lässt, gelangt in den beiden Gemeinden Bettingen und Riehen in eine andere politische Landschaft.
Hier dominiert nicht mehr die rot-grüne Linke, sondern enach den Wahlen von 2014 zum Einwohnerrat, wie die Legislative in dieser Stadt heißt, eine breite Palette von Parteien, die sich in ihrer Größe vergleichsweise unwesentlich unterscheiden.

Ein Blick auf das Kreisdiagramm legt eher eine sehr ähnliche Stärke von vier oder fünf Parteien nahe, die jeweils über 12 % der Stimmen auf sich vereingen konnten, sowie von drei kleineren Parteien, die unter 10% liegen, also nicht einmal von jedem 10. Wähler die Stimmen erhalten haben.

Bemerkenswert für Riehen ist das Gewicht der beiden christlichen Parteien, also der eher katholischen CVP und der eher protestantischen EVP, die insgesamt mehr als jeden fünften Wähler für sich gewinnen konnten, während es in Basel insgesamt nur 11,5 % der Stimmen waren. 

Hier scheinen also im Umland der Stadt tradierte religiöse Bindungen noch eine größere Rolle zu spielen als in der Kernstadt. 



Gesamterneuerungswahlen 2014 für den Einwohnerrat von Riehen

Quelle: Gemeinde Riehen


Während Riehen ein stark ausdfferenziertes parteipolitisches System besitzt, gilt für Bettingen das genaue Gegenteil. Die zentrale Ursache dürfte dabei die Größe der beiden Gemeinden sein, da die kleine Gemeinde nur einen Abgeordneten in den Kantonsrat entsenden kann.

Hier verspricht man sich offensichtlich in Bettingen eine bessere Vertretung der lokalen Interessen, wenn man gemeinsam ausschließlich als "Aktives Bettingen" antritt und keine Auswahl zwischen verschiedenen Parteien trifft. Das gilt allerdings nicht für den Gemeinderat, um dessen Sitze sich neben Aktives Bettingen auch die Bettinger Dorfvereinigung und die EVP bemühen. Bemerkenswert ist dabei, dass die beiden lokalen Wählervereinigungen erst 1993 bzw. 2002 gegründet wurden, in Bettigen also 2002 ein Wettbewerber für die Dorfvereinigung gesucht wurde, aber keine im Kanton bereits bestehende Partei dieses Vakuum schließen konnte. In Bettingen sieht man also offenbar die Notwendigkeit politischer Konkurrenz, aber nicht die von harter Parteipolitik und damit auch Rücksichtnahmen auf Entscheidungen, die Bettingen gar nicht betreffen.  

Basel und die Schweiz im Vergleich


Die aktuellen Unterschiede zwischen dem Wahlverhalten in Basel und der Schweiz werden deutlich, wenn man die Stimmabgabe bei der Nationalratswahl 2015 vergleicht. D
anach sind das rot-grüne Lager aus Sozialdemokraten und Grünen (GPS) sowie die FDP in Basel deutlich stärker als in der übrigen Schweiz, wo die national-konservative oder auch rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) fast das doppelte Gewicht besitzt wie im Stadtkanton.



Stimmenanteile (in %) in der Nationalratswahl 2015 
Partei
Basel-Stadt
Schweiz  insgesamt
SP
33,3
18,8
GPS
11,2
7,1
FDP
21,4
16,4
CVP
6,5
11,6
GLP
4,8
4,6
BDP
1,1
4,1
EVP
2,3
1,9
SVP
17,7
29,4
Quellen:  NZZ und Datenplattform "Parties and elections"


Diese Unterschiede werden im folgenden Balkendiagramm besonders deutlich, wo die Länge der Kegel "SP" für den "Überhang" an Prozentpunkten für die Sozialdemokraten in Basel und den ähnlich großen "Unterhang" für die Schweizer Volkspartei besonders ins Auge fällt.


Stimmenanteile der Parteien im Kanton und in der Schweiz bei der Nationalratswahl 2015
 
Quellen: NZZ und Datenplattform "Parties and elections", eigene RechnungDamit zeigt sich ganz aktuell, dass vom Wahlverhalten her Basel anderes ist als die übrige Schweiz. Das wurde in zwei Volksinitiativen besonders deutlich, als hart umstrittene Fragen zu abweichende Ergebnissen in der deutsch- und der französischsprachigen Schweiz führten. So ergab sich am  28. November 2010 
für die Eidgenössische Volksinitiative "Für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)" insgesamt eine Mehrheit von 52,3 % Prozent der Stimmenden.


Kantonale Stimmabgabe bei der Ausschaffungsinitiative 2010

Quelle: wikipedia


Wie die Farben auf der Karte ausweisen, wurde die Initiative in der Romandie, also der französischsprachigen Schweiz, abgelehnt. Hingegen lehnt zur ein einziger diese Initiative ebenfalls ab: Basel-Stadt, und zwar mit 56,6 %. Das war sogar ein leicht höherer Anteil als in dem als besonders weltoffen geltenden Genf.

Ähnliche kantonale Ergebnisse gab es bereits am 5. 12. 1992, als beim ganz knapp abgelehnten Referendum zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) neben der Westschweiz nur die beiden Basler Halbkantone mit "Ja" stimmten und sich damit gegen die Politik von Christoph Blocher und der SVP entschieden. Schon damals wurde in den Medien das Bild vom Röstigraben geprägt, der die deutschsprachige von der romanischen Schweiz trennt. Nur ist dieser Begriff nicht ganz zutreffend, denn er vergisst einfach, dass Basel anders ist, also die Mehrheit dort Rösti schätzt, aber nicht die Politik der SVP.


Die Wahltrends in Basel 2008 - 2012

Wahlergebnisse fallen in der Schweiz nicht unbedingt durch extreme Veränderungen auf. Das gilt auch für die Kantonalratswahl 2012, wo es zu kleinen Verschiebungen von ein bis zwei Prozentpunkten gekommen ist.

                            Quelle: wikipedia


Auf diese Weise konnten sich die Anteile de großen politschen Lager nur geringfügig verschieben. Das tritt immer dann allein schon aus mathematischen Gründen ein, wenn innerhalb eines Lagers sowohl Sieger als auch Verlierer zu finden sind. Das traf 2012 beispielsweise für das rot-grüne Lager zu, da die SP relativ kräftige Gewinne von 2,5 Prozentpunkten verbuchen konnte, während die Grünen 1,2 Prozentpunkte einbüßten. Verlierer auf der gesamten Linie waren hingegen die vier kleineren Parteien in der Mitte des Baseler Parteienspektrums, also CVP, glp und EVP, die durchgängig weniger Stimmen für sich gewinnen konnten als 2008. Das führte im Resultat zu einer stärkeren Polarisierung, wie das folgende Kreisdiagramm veranschaulicht.



        Anteile der großen politischen Lager an der Stimmenzahl

                               Quelle: Wahlstatistik Basel, eigene Rechnung



Etwas komplizierter sehen die Macht- und Mehrheitsverhältnisse im Kantonalrat aus, da dort insgesamt neun Partei
en vertreten sind, von denen die Volks-Aktion und die EVP weniger als fünf Abgeordnete stellen.



                                   Der Basler Kantonalrat 2012
   Quelle: wikipedia


Von den Basler Wahlstatistikern werden diese Wahlergebnisse nicht nur für den gesamten Knton, sondern auch getrennt für drei Wahlbezirke der Stadt, d.h. Grossbasel-West und -Ost sowie Kleinbasel, und die beiden selbstständigen Gemeinden des Kantons, also Riehen und Bettingen, veröffentlicht. Zu diesem Zweck ist die erforderliche Untergliederung Grossbasels im Wahlgesetz präzise festgelegt. Danach verläuft die "Grenze zwischen Grossbasel-Ost und Grossbasel-West .. auf einer Linie, welche von der Kantonsgrenze bei Binningen dem Birsig bis zur Heuwaage folgt und von da durch den Steinengraben über den Holbeinplatz und durch den Leonhardsgraben, den Petersgraben und durch den obersten Teil des St. Johanns-Rheinwegs zum Rhein geht, wobei die Mitte der genannten Strassen und Plätze die Grenze bildet."



Anteile der Parteien in % bei den Grossratswahlen 2012 für die Legislatureriode 2013 -2017

Partei
Grossbasel-OstGrossbasel-WestKleinbaselRiehenBettingenBasel
Wahlbeteiligung
42,441,437,846,954,841,6
SP
28,637,131,820,1-30,7
SVP
14,414,114,820,0-15,0
Grünes Bündnis
11,812,515,07,3-11,8
FDP
15,29,18,712,0-11,1
LDP
10,47,67,316,6-9,6
CVP
7,47,16,88,9-7,3
Grünliberale
5,55,73,74,7-5,0
EVP
3,73,72,09,8-4,2
VA (Volks-Aktion Ausländerstopp)
--5,5   --1,2
AB (Aktives Bettingen)
----74,00,6
Quelle: Kanton Basel-Stadt (Hg.), Schlussresultat der Grossratswahlen 2012.


Einem weiterhin stark liberalen Westen Grossbasels und Riehen steht damit ein rot-grüner Osten gegenüber, wo die Sozialdemokraten und Grünen mit 
49,6 % auf annähernd die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen gekommen sind. 


Das politische Pendant zur A-Stadt: Baselbiet


Wenn man die hoch verdichteten Viertel der Stadt Basel betrachtet, wo etwa im Quartier Matthäus 39.800 Einwohner auf dem qkm leben, erscheint der Text des Baselbieterliedes
, der inoffiziellen Hymne dieses Halbkantons Basel-Landschaft, nicht unbedingt wie ein antiquierter Text aus einer vergangenen Zeit. Es trifft schließlich zu, dass hier nicht Beton und Autos, sondern "Berge und Täler wechseln" und über "alles hinaus manche Felswand schaut."

Für Einwohner, die die Natur lieben, dürfte daher auch heute gelten, dass "es nirgends schöner sein kann als im Baselbiet".

Mit dieser Umgebung lässt sich Basel nicht nur als eine "A-Stadt" charakterisieren, wenn man auf eine Konzentration sozialer Problemlagen abstellt, die sich durch den Anfangsbuchstaben "A" bezeichnen lassen. Basel hat, wie auch andere vergleichbare Städte, mehr zu bieten, wenn man an die Vielzahl von Events und Angeboten denkt, die hier auf die Bewohner der Stadt und ihres Umlandes warten und teilweise von den kommunalen Steuerzahlern finanziert werden müssen.

Diese sozialökologische Diffenrenzierung wird deutlich, wenn man das Wahlverhalten betrachtet. So nimmt der Halbkanton Basel-Landschaft eine Zwischenstellung zwischen Basel-Stadt und der übrigen deutschsprachigen Schweiz ein, da hier die SVP vor der SPS und die FDP vor den Grünen in der Wählergunst rangiert.

Am Beispiel der national-konservativen SVP, die ursprünglich aus der
Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) hervorgegangen ist, also ihre Wurzeln in der Landwirtschaft besitzt, lässt sih das leicht veranschaulichen; auch wenn sich die Programmatik im Zuge der Neuausrichtung durch Christoph Blocher weitgehend geändert hat.




Stimmenanteile der SVP (in %) in Gemeinden von Baselbiet 2015
                           Quelle: Wahlstatistik


Wie das Säulendiagramm zeigt, ändert sich das Wahlverhalten deutlich, wenn man sich von der Baseler Innenstadt entfernt, wofür die fünf ausgewählten Gemeinden des Halbkantons Baselbiet stehen. Das wirkt sich vor allem bei den Anteilswerten der SVP aus, die von 21,5 % in Allschwil auf 38,4 % in Waldenburg ansteigen. Das ist immerhin ein Unterschied von über 75 %.

Dieser deutlichen Stadt-Land-Tendenz stehen an anderen Stellen des politischen Spektrums Parteien gegenüber, die im Halbkanton Baselbiet schlechter abschneiden, wenn man sich von de Kernstadt entfernt. Hier liegen die Anteile vor allem der Grünliberalen mit minus 26 %, der Sozialdemokraten mit minus 19 % und der FDP mit minus 15 % deutlich niedriger als in Allschwil. Die beiden kleineren Parteien EVP und BDP können hingegen von einer eher ländlichen Umgebung ähnlich profitieren wie die SVP, auch wenn ihre kleineren Anteilswerte keine kontinuierliche Tendenz aufweisen, sondern das Resultat nur insgesamt per Saldo aufritt. So führt beispielsweise ein hoher Anteil von über 
30 % für die katholisch geprägte CVP in Laufen zu einem sehr geringen Wert für die EVP und "stört" damit ihre insgesamt ansteigende Tendenz zwischen Allschwil und Waldenburg.



Unterschiede der Stimmenanteile (in Prozentpunkten) ausgewählter Parteien zwischen Allschwil und Waldenburg in der Landratswahl 2015

                                Quelle: Landeskanzlei von Basel-Landschaft, eigene Rechnung





Besonders in den Halbkantonen Basel-Stadt und Landschaft wird damit der sozialer Wandel im Schweizer Parteiensystem, aber auch der sozialökologischen Entwicklung von Stadtregionen deutlich. Wenn man urbane Verflechtungsräume politisch oder auch nur statistisch zerschneidet, können aufgrund der sozialräumlichen Differenzierung Teilgebiete ausgewiesen werden, die kaum einen Bezug zur GesamtentwicDamit Dklung aufweisen. 



Die parteipolitischen Folgen räumlicher Abgrenzungen


Damit hängen die parteipolitischen Machtverhältnisse  in einer Stadtregion und ihrem weiteren Einflussbereich nicht zuletzt von der jeweiligen regionalen Abgrenzung ab. Wenn die Städte und Gemeinden nicht mehr zu einer Stadt oder, wie im Fall Basel einem Stadtkanton gehören, die sich an die alternativ ausgerichteten innenstadtnahen Altbaugebiete und sozial benachteiligten Quartiere anschießen, kann man zu Schlussfolgerungen gelangen, die nur sehr bdingt zutreffen. 

"In der Schweiz stehen die Städte politisch links, während das Land konservativ eingestellt ist", lautet so eine Aussage der Schweizer Medien zur Wahlanalyse, die sogar als "so gut wie in Stein gemeißelt" gilt. (Boa u.a.) Dabei setzt sie voraus, dass man keine Stadtregionen mit ihrer sozialökologischen Struktur heranzieht, sondern sehr grob zwischen Stadt un Land unterscheidet. Das mag zur Beschreibung ausreichen, verstellt jedoch den Blick auf die Prozesse, die innerhalb der Verflechtungsräume zu bestimmten Verteilungsstrukturen der Wohnbevölkerung und damit einem unterschiedlichen Wahlverhalten führen.

Das wird besonders deutlich, wenn man die Unterschiede zwischen Kantonen vergleicht, deren Zusammenschluss zu einer größeren Einheit Nordwestschweiz im Gespräch ist. In einem derartigen Großkanton, der leistungsfähiger, aber vermutlich weniger bürgernah wäre, hätte Rot-Grün nicht mehr die starke Stellung wie in Basel-Stadt, sondern entspräche den Verhältnissen in Kantonen wie Bern und Zürich, wo die Kernstadt mit rot-grün-alternativen Mehrheiten nicht die Mehrheitsverhältnisse in den großen Flächenkantonen wesentlich beeinflussen kann. Dort haben SVP und FDP gemeinsam jeweils deutlich über 40 % der Stimmen bei der Nationalratswahl 2015 erreicht und lagen daher eindeutig vor der Linken, während es in Basel-Stadt umgekehrt war.


Stimmenanteile ausgewählter Parteien in den Kantonen der Nordwestschweiz 2015 (in %)
Partei
Basel-Stadt
Basel-Landschaft
Aargau
Solothurn
Durchschnitt
SPS
33,3
22,2
16,1
20,0
22,9
Grüne
11,2
14,2
5,5
5,6
9,1
Rot-Grün
44,5
36,4
21,6
25,6
32,0
CVP
6,4
9,1
8,6
14,8
9,7
Grünliberale
4,8
2,7
5,2
3,5
4,1
EVP
2,3
2,2
3,3
1,2
2,3
BDP
1,1
2,8
5,1
3,4
3,1
Mitte
14,6
16,8
22,2
22,9
19,1
FDP
21,2
15,8
15,1
21,2
18,3
SVP
17,6
29,8
38,0
28,8
28,6
Rechte
38,8
45,6
53,1
50,0
46,9
Quelle: Wahldaten des Bundesamtes für Statistik. eigene Rechnungen


In dieser Tabelle werden die Auswirkungen für die Kantone im Nordwesten der Schweiz dargestellt. Dabei wird das Gewicht des Stadt-Land-Effektes besonders deutlich, wenn man die Anteile der Parteien in Basel-Stadt und im Durchschnitt der vier Kantone vergleicht. Während Rot-Grün in Basel-Stadt mit fast 45 % der Stimmen und über fünf Prozentpunkten vor FDP und SVP liegt, sieht das in dem "durchschnittlichen" Wahlgebiet anders aus. Hier dominieren die beide Parteien der bürgerlichen Rechten mit einem Vorsprung von fast fünfzehn Prozentpunkten. 

Räumliche Abgrenzungen und Durchschnittsbildungen können so zu unterschiedlichen Bildern vom Wahlverhalten führen. Es macht daher Sinn, sich zumindest ergänzend mit den sozalökologischen Prozessen zu beschäftigen, die einen ersten Blick auf die Faktoren ermöglichen, die für das jeweilige Bild verantwortlich sind, also die Herausbildung unterschiedlicher Sozialräume mit ihrem jeweils typischen Wahlverhalten.



Quellen:

Statistiken:

1) Sozialindkatoren:

Quartiersporträts des Kantons Basel-Stadt

Einzelindikatoren der Quartiere

Tabellen und Karten zur Wohnbevölkerung


2) Wahlergebnisse:



Wahl- und Abstimmungsergebnisse (Archiv) des Kantons Basel-Stadt

Detaillierte Daten der Nationalratswahlen

Nationalratswahl 2015 mit Kantonaldaten der NZZ

Wahlatlas zur Nationalratswahl 2015 mit kantonalen Daten

Nationalratswahlen mit Kantonaldaten 1991 - 2015



Wahlbarometer 2015 (u.a. Sozialstruktur der Wähler der Parteien) 



Literatur:

Baumann, Heinrich Leuthold, Die sozialräumliche Dynamik der urbanisierten Schweiz und ihre politikgeografische Dimension, Zürich 2006.

Boa,TaniaGrossenbacher, TimoHintz, Mark und Wepfer, AnnaStadt und Land sind politisch in festen Händen, in: SRF vom 24. September 2015.

Gernet, Joe, "Ich werde das Parlament lahmlegen", in: Basler Zeitung vom 9.10.2012.

Haller, Daniel, Fusioniert wären beide Basel stärker. UBS-Studie. Ein neuer Kanton Basel wäre sogar wettbewerbsfähiger als heute Basel-Stadt, in: 
bz-online vom 5. März 2014.

Miville, Carl, Das «Rote Basel» von 1935 bis 1938, in; Rote Revue 1988.

Reimers, Caspar, Wahlen. Homosexuelle treten mit eigener Liste an, in: basel.ch vom 16.06.2008.

Seitz, Werner, «Wenn Feministinnen, Grüne und Linke zusammenspannen. Links der SP bewegt sich was», in Wochen-Zeitung (WoZ), Nr. 8, 25. Februar 1999.


Seitz, Werner, Von den «roten Städten» zu den rot-grünen Hochburgen. Linke Regierungsmehrheiten in urbanen Gebieten, in: NZZ vom 21./22.Oktober 2006
  
Seitz, WernerStatt einer Prognose: Ein Blick zurück, in: Journal21.ch vom 
14.10.2015 

Stirnimann, Charles, Ein Stück Geschichte der Arbeiterbewegung wurde aufgearbeitet : das "Rote Basel" von 1935 bis 1938, in: Rote Revue, 1988, S. 21 - 3.


Statistisches Amt des Kantons Basel-Stadt (Hg.), Quartierradar 2015 Ranglisten Einzelindikatore, Basel 2015.

Statistisches Amt des Kantons Basel-Stadt (Hg.), Kurzportraits 2015 Basler Quartiere und Gemeinden, Basel 2015.

Sutter, Markus, Basler Liberale nach Eymann-Wahlerfolg: "Keine Fusion mit der FDP", in: onlinereports.ch vom 21.10.2015.
  
Wirth, Monika und Grossmann, Flavia, Das 'Gundeldingerquartier in Basel. Die Stadt in der Stadt. Eine Bestandsaufnahme, Basel 2012.


Zehnder, Matthias, Stadt und Land driften auseinander – nicht nur in der

Region Basel, in: BZ Basel vom 18.10.15.


Anhang


Rangplätze von Indikatoren für den sozialen Status
QuartierGymnasialquoteWohnfläche pro KopfVermögenssteuerEinkommensteuer
Summe
Grossbasel-Altstadt2121182080
Vorstädte1919201876
Am Ring1514141457
Breite799934
St. Alban1217171965
Gundeldingen1188835
Bruderholz1718212177
Bachletten1815121560
Gotthelf 1411191256
Iselin 676726
St. Johann1057426
Kleinbasel-Altstadt912111143
Clara464620
Wettstein1613131355
Hirzbrunnen810101038
Rosental133310
Mattthäus545519
Klybeck31116
Kleinhüningen22228
Riehen1316161661
Bettingen2020151772
Quelle: Stat. Amt

Rangplätze von Indikatoren für den familialen Status (hoher Wert entspricht hohem familialem Status)
QuartierEinpersonenhaushalte

Jugendquotient Haushaltsgröße
Summe
Grossbasel-Altstadt3
238
Vorstädte20

327
Am Ring7
61023
Breite6
91025
St. Alban11
151238
Gundeldingen8
51023
Bruderholz19
212060
Bachletten14
161545
Gotthelf 4
101024
Iselin 5
111032
St. Johann13
121537
Kleinbasel-Altstadt2
125
Clara10
41024
Wettstein9
71026
Hirzbrunnen17
191551
Rosental15
131846
Mattthäus
12
81232
Klybeck16
141848
Kleinhüningen18
181854
Riehen20
202060
Bettingen21
172159
Quelle: Stat. Amt


Rangplätze von Indikatoren für den Ausländerstatus (hoher Wert entspricht einem hohen Ausländerstatus)
Quartier
Ausländeranteil
Ausländerstatus
Grossbasel-Altstadt
27,2
7
Vorstädte
35,3
13
Am Ring
34,0
12
Breite
31,9
10
St. Alban
30,9
9
Gundeldingen
39,2
15
Bruderholz
23,0
4
Bachletten
21,0
1
Gotthelf 
27,4
6
Iselin 
36,0
14
St. Johann
45,7
16
Kleinbasel-Altstadt
35,7
11
Clara
46,5
18
Wettstein
29,5
8
Hirzbrunnen
22,4
2
Rosental
54,4
21
Matthäus
51,6
20
Klybeck
51,5
19
Kleinhüningen
45,7
17
Riehen
24,1
4
Bettingen
27,7
5
Quelle: Stat. Amt


Rangplätze von Indikatoren für soziale Benachteiligung/ Transferstatus 
QuartierSozialhilfeempfänger
Ausländeranteil Arbeitslosenquote
Summe
Grossbasel-Altstadt3
519
Vorstädte6
12523
Am Ring8
11726
Breite12
101638
St. Alban5
9923
Gundeldingen13
151240
Bruderholz2
349
Bachletten4
1611
Gotthelf 9
6823
Iselin 17
141344
St. Johann16
161749
Kleinbasel-Altstadt14
131542
Clara15
181447
Wettstein10
81028
Hirzbrunnen11
21124
Rosental18
212059
Mattthäus19
201857
Klybeck20
192160
Kleinhüningen21
171957
Riehen7
4213
Bettingen1
7210
Quelle: Stat. Amt